Bestand und Gefährdung
Entwicklung auf Bundesebene: Rote Listen zeigen negative Trends auf
Seit rund 40 Jahren bringt das Bundesamt für Naturschutz die bundesweiten Roten Listen der gefährdeten Tier-, Pflanzen- und Pilzarten Deutschlands heraus. Der jeweilige Rote-Liste-Status einer Art wird von ausgewiesenen Expertinnen und Experten anhand von bundesweit repräsentativen Daten ermittelt. Die Rote-Liste-Einstufung beinhaltet unter anderem die Bewertung eines langfristigen Bestandstrends für jede Art. Der langfristige Trend beschreibt - je nach Informations- und Datenlage - die Entwicklung der Bestände der Arten über die zurückliegenden 50 bis 150 Jahre vor Rote-Liste-Erstellung.
In den Bänden 3 und 4 der bundesweiten Roten Listen der Reihe 2009 ff. sind 7.787 Insektenarten und 89 Unterarten (= 7.876 Insektentaxa ohne Neobiota) erfasst. Das entspricht knapp 24 % der 33.000 in Deutschland nachgewiesenen Insektenarten. 6.921 Arten und Unterarten wurden hinsichtlich ihres langfristigen Bestandstrends ausgewertet (Ries et al. 2019). Nicht berücksichtigt wurden: Nicht bewertete Arten, ausgestorbene und verschollene Arten sowie die Gruppe der Wespen, die derzeit taxonomisch überarbeitet wird.
Bei 45 % (3.086 Arten und Unterarten) der ausgewerteten Insekten war der langfristige Bestandstrend rückläufig; bei den Köcherfliegen liegt der Anteil sogar bei 96 %. Neben den Tagfaltern mit 64 % der Arten und den Ameisen mit 60 %, weisen auch die Zikaden mit 52 % überdurchschnittlich viele Arten mit langfristig rückläufigem Trend auf. Ebenso sind die Bestände der Wildbienen und die der Laufkäfer bei jeweils 45 % der Arten zurückgegangen. Von einem langfristigen Rückgang sind damit nicht nur Insekten betroffen, die vor allem fliegend im Luftraum anzutreffen sind, sondern auch solche, die in Gewässern oder am Boden leben und kaum fliegen. Eine langfristige Zunahme konnte dagegen nur bei insgesamt 2 % der bislang untersuchten Insektenarten festgestellt werden.
Ergebnisse wissenschaftlicher Studien bestätigen negative Entwicklung
Vergleichbare Entwicklungen, wie sie in den Roten Listen für Deutschland dokumentiert sind, wurden auch in anderen regionalen oder internationalen wissenschaftlichen Untersuchungen für unterschiedliche Insektenarten nachgewiesen.
Eine im Jahr 2017 veröffentlichte Langzeitstudie zur Veränderung der Biomasse von Fluginsekten zeigt die negative Entwicklung in deutschen Schutzgebieten auf (Hallmann et al. 2017). Dabei wurden Daten des Entomologischen Vereins Krefeld ausgewertet, die zwischen 1989 und 2014 an 63 verschiedenen Standorten Deutschlands gesammelt wurden. Der Großteil der untersuchten Schutzgebiete befindet sich in Nordrhein-Westfalen, einzelne in Rheinland-Pfalz und Brandenburg. Die Forscher konnten zeigen, dass die Gesamtbiomasse der Fluginsekten bis 2014 um 76 % zurückgegangen ist. Der Bestand der Großschmetterlinge sank beispielsweise um 56 %.
In Bayern kam es bei Schmetterlingen zu einem Rückgang der Artenzahlen um 13 % und bei den Populationsgrößen zu noch größeren Einbrüchen, wie die aktuelle Checkliste der Schmetterlinge Bayerns belegt (Haslberger & Segerer 2016). Hiervon sind auch „Allerweltsarten“ betroffen. Eine Untersuchung an Tagfaltern und Widderchen auf Kalkmagerrasen in der Region um Regensburg ergab für den Zeitraum von 1840 bis 2013 einen Artenrückgang von fast 40 %. Dabei nahm sowohl der Anteil an Habitat-Spezialisten als auch der Anteil gefährdeter Arten signifikant ab. Im Gegensatz dazu nahm der Anteil an Arten, die als Generalisten bezeichnet werden können, deutlich zu (Habel et al. 2016).
„European Grassland Butterfly Indicator“
Der „European Grassland Butterfly Indicator“ berichtet über die Entwicklung von zehn spezialisierten und sieben häufigen Schmetterlingsarten in europäischen Ländern (EEA 2013 ). Im Zeitraum von 1990 bis 2015 konnte ein Rückgang der Bestände um ca. 32 % festgestellt werden (van Swaay et al. 2016). Deutliche Rückgänge der Schmetterlingspopulationen wurden nicht nur in Deutschland, sondern auch in anderen europäischen Ländern - etwa in den Niederlanden, Belgien, Ungarn, Großbritannien und Dänemark - beobachtet. Für Deutschland fließen ausgewählte Daten des vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung koordinierten Tagfalter-Monitoring Deutschlands in den Indikator ein.
Einen besonders dramatischen Bestandsrückgang belegt eine noch unveröffentlichte Studie, welcher zufolge der Bestand an Schwebfliegen im bergischen Wahnbachtal in Nordrhein-Westfalen um 84 % sank und 24 % der Arten zuletzt gar nicht mehr nachgewiesen werden konnten (Ssymank, mündl. Mitt.).