Arten nationaler Verantwortlichkeit
Analysen zur nationalen Verantwortlichkeit
Neben der Erarbeitung von Roten Listen haben sich Analysen zur nationalen Verantwortlichkeit für die Erhaltung von Tier-, Pflanzen- und Pilzarten zu einer zweiten bedeutenden Grundlage bei der Prioritätensetzung im Arten- und Naturschutz entwickelt.
In Ergänzung zu den Aussagen über die Gefährdung von Arten anhand von Roten Listen liefern Verantwortlichkeitsanalysen wichtige Informationen über Arten, die einer erhöhten nationalen Aufmerksamkeit bedürfen, um deren Weltbestand zu sichern.
Das im Bundesamt für Naturschutz in Abstimmung mit zahlreichen Fachkolleginnen und -kollegen entwickelte und im Jahre 2004 methodisch standardisierte Konzept (Gruttke et al. 2004) hat mittlerweile Eingang in die Naturschutzstrategie und Naturschutzgesetzgebung der Bundesregierung gefunden.
Darüber hinaus sind Arten, für die Deutschland eine besondere Erhaltungsverantwortlichkeit besitzt, wichtiger Bestandteil des Bundesprogramms Biologische Vielfalt.
In der Nationalen Strategie zur Biologischen Vielfalt sind zwei Handlungsziele zur Verantwortlichkeit aufgeführt:
- "Wiederherstellung und Sicherung der Lebensräume der Arten, für die Deutschland eine besondere Erhaltungsverantwortlichkeit hat, bis 2020"
- "Sicherung der Bestände aller heute gefährdeten Arten und solcher, für die Deutschland eine besondere Verantwortung trägt"
Flankierend zu diesen Zielen ist das Prinzip der Verantwortlichkeit in das Bundesnaturschutzgesetz aufgenommen worden. Mit dem Inkrafttreten des 2009 vom Bundestag beschlossenen BNatSchG am 01. März 2010 bildet die Verantwortlichkeit neben der Gefährdung von Arten die in § 54 Abs. 1 und 2 BNatSchG n. F. normierte Ermächtigungsgrundlage, mit der Arten unter besonderen bzw. strengen Schutz gestellt werden können.
Für eine Analyse der Verantwortlichkeit werden drei Parameter zugrunde gelegt:
- Anteil der Populationen im Bezugsraum an der Weltpopulation (meist geschätzt über den Anteil am Weltareal),
- Bedeutung dieser Populationen für den Genfluss zwischen Populationen (meist geschätzt über die Position des Bezugsraumes im Areal),
- weltweite Gefährdung der Art/des Taxons.
Etliche Artengruppen wurden inzwischen im Hinblick auf die nationale Verantwortlichkeit bewertet.
Mit Hilfe solcher Bewertungen kann die zentrale Frage beantwortet werden, für welche Arten Deutschland aus globaler Sicht eine besondere Verantwortlichkeit für deren Erhaltung innehat und welche naturschutzpolitischen und fachlichen Maßnahmen daraus abzuleiten sind.
Drei Kategorien der nationalen Verantwortlichkeit
- !! in besonders hohem Maße verantwortlich:
Hierunter fallen Taxa, deren Aussterben im Bezugsraum äußerst gravierende Folgen für den Gesamtbestand hätte bzw. deren weltweites Erlöschen bedeuten würde. -
! in hohem Maße verantwortlich:
Dies sind Taxa, deren Aussterben im Bezugsraum gravierende Folgen für den Gesamtbestand hätte bzw. deren weltweite Gefährdung sich stark erhöhen würde - (!) in besonderem Maße für hochgradig isolierte Vorposten verantwortlich:
Für Taxa, die keines der Kriterien der genannten Hauptkategorien ! oder !! erfüllen, ist diese Kategorie zu vergeben, wenn sich im Bezugsraum mindestens eine Population bzw. ein disjunktes Teilareal geringer Größe des betreffenden Taxons befindet und darüber hinaus weitere strikte Kriterien erfüllt werden.
Für folgende Gruppen liegen aktuelle Analysen vor (ohne vorläufige Einschätzungen)
- Säugetiere (Meinig et al. 2020)
- Farn- und Blütenpflanzen (Teil der Taxa), Moose (Metzing et al. 2018)
- Köcherfliegen (nur für vier Arten bearbeitet), Laufkäfer, Wasserkäfer, Zikaden, Doppelfüßer, Hundertfüßer, Binnenasseln, Spinnen, Weberknechte, Regenwürmer (Gruttke et al. 2016)
- Großpilze (Matzke-Hajek et al. 2016)
- Meeresfische und Neunaugen (Becker et al. 2013)
- Myxomyzeten (Ludwig & Matzke-Hajek 2011)
- Schwebfliegen (nur Auswahl), Rennraubfliegen (nur für eine Art bearbeitet), Schmetterlinge (Tagfalter; Eulenfalter, Trägspinner und Graueulchen; Spinnerartige Falter; Spanner; Zünsler), Bienen (nur Auswahl), Ameisen, Pflanzenwespen, Heuschrecken, Wildschaben, Ohrwürmer (Binot-Hafke et al. 2011)
- Reptilien, Amphibien, Süßwasserfische und Neunaugen (Haupt et al. 2009)