Jahresbericht 2023erschienen am

Ein Stapel der Jahresberichte. Ganz oben liegt der Jahresbericht 2023.

Zusammenfassung des Jahresberichts 2023 der Schlichtungsstelle BGG

Die Schlichtungsstelle nach dem Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) legt dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales und dem Beauftragten der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen, Jürgen Dusel, jährlich einen Bericht über ihre Arbeit vor.

Der Bericht für das Jahr 2023 beschreibt zunächst die Erfahrungen der Schlichterinnen und Schlichter bei der Lösung von Konflikten.
Enthalten ist auch eine Fall-Statistik des Jahres 2023. Diese wird mit Grafiken veranschaulicht. Einige Beispielsfälle machen die vielfältige Arbeit der Schlichtungsstelle deutlich. Dazu werden auch die gesetzlichen Vorschriften erklärt, mit denen die Schlichtungsstelle arbeitet.

Zusammenfassung des Jahresberichtes 2023

Die Aufgaben der Schlichtungsstelle waren auch im siebten Jahr ihres Bestehens wieder sehr vielfältig.
Die Zahl der Schlichtungsanträge ist von 189 Anträgen im Jahr 2022 auf 267 Anträge im Jahr 2023 gestiegen. Das ist ein Anstieg von mehr als 40 Prozent und bedeutete sehr viel mehr Arbeit für die Schlichterinnen und Schlichter und die Geschäftsstelle. Trotzdem konnte auch 2023 wieder bei mehr als der Hälfte der Schlichtungsverfahren für die unsere Zuständigkeit gegeben war eine gütliche Einigung erzielt werden. Das heißt, dass sich die Parteien in mehr als der Hälfte der Fälle auf eine Lösung einigen konnten, mit denen beide zufrieden waren.
Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Schlichtungsstelle haben daneben auch noch viele andere Anfragen beantwortet und Telefongespräche mit Betroffenen geführt. Hier konnte oft schnell geklärt werden, ob die Schlichtungsstelle helfen kann, und wo eine andere Stelle zuständig ist. Für viele Anruferinnen und Anrufer war es auch wichtig, mit ihren Schwierigkeiten und den Rechtsverletzungen gesehen und verstanden zu werden. Der Anteil von Anträgen, für die die Schlichtungsstelle zuständig war, lag auch im Jahr 2023 bei etwa der Hälfte aller Anträge.
Wie auch in den Vorjahren ging es in den meisten Fällen um das Benachteiligungsverbot. Dabei beklagten die Antragsteller häufig die Versagung „angemessener Vorkehrungen“. Oft ging es hierbei um die Bewilligung von Sozialleistungen.
Zum festen Bestandteil der Schlichtungsstellenarbeit sind Anträge zum Thema „Zugang mit Assistenzhund“ geworden. Sie machten im Jahr 2023 mehr als ein Fünftel der Anträge aus. Oft wird der Zutritt mit Hund zum Beispiel zu Reha-Kliniken oder zu Arztpraxen verweigert. Das betrifft Kernbereiche der Teilhabe. Am 1. März 2023 ist die Assistenzhundeverordung (AHundV) in Kraft getreten. Trotzdem sind viele rechtliche Fragen für Menschen mit Assistenzhunden noch nicht endgültig geklärt. Für die Schlichtungsstelle wird dieses Thema wohl weiter an Bedeutung gewinnen.
Im Arbeitsalltag der Schlichtungsstelle zeigte sich auch im Jahr 2023, dass die öffentlichen Stellen des Bundes oft noch Barrieren ihrer Websites und Apps zu beseitigen haben, und teilweise auch die Erklärung zur Barrierefreiheit noch fehlt. Hier konnte in einigen, Schlichtungsverfahren erreicht werden, dass die digitalen Angebote von öffentlichen Stellen auf Barrierefreiheit geprüft wurden.
Im kommenden Jahr 2025 wird das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz in Kraft treten. Das Gesetz schreibt vor, dass private Anbieter bestimmte Produkte und auch Dienstleistungen im elektronischen Geschäftsverkehr (E-Commerce) barrierefrei anbieten müssen. Die Schlichtungsstelle wird dann auch Streitigkeiten zu diesem Gesetz für Menschen mit Behinderungen schlichten können.
Für die Zukunft ist es wichtig, dass die Schlichtungsstelle organisatorisch, personell und technisch gut aufgestellt wird. Das ist die Voraussetzung dafür, dass die erfolgreiche Schlichtungsarbeit und die zügige Verfahrensführung weiter gewährleistet werden können. 

Grußwort von Herrn Jürgen Dusel

Beauftragter der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen

Liebe Leserinnen und Leser,

Deutschland muss für Menschen mit Behinderungen barrierefrei werden – im öffentlichen wie im privaten Leben. Das heißt, nicht nur Behörden oder andere öffentliche Stellen müssen in ihren Gebäuden, Angeboten oder ihrer Kommunikation barrierefrei sein, auch private Anbieter wie Theater oder Arztpraxen müssen es werden. Vor 15 Jahren hat Deutschland die UN-Behindertenrechtskonvention ratifiziert, sie ist also geltendes Recht und muss weiter umgesetzt werden. Die Rechte von Menschen mit Behinderungen sind dadurch zwar deutlicher ins öffentliche Bewusstsein gerückt, es hat aber keinen grundlegenden Wandel hin zu einer inklusiven Gesellschaft gegeben.

Vor allem bei der Mobilität, beim Wohnen, in der Gesundheit und im digitalen Bereich gibt es weiterhin erhebliche Barrieren, die eine gleichberechtigte Teilhabe der Betroffenen verhindern. Das hat uns auch die zweite Staatenprüfung der Vereinten Nationen im letzten Jahr nochmals eindrücklich vor Augen geführt. Hier hat der Fachausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen die Umsetzung der UN-BRK in Deutschland überprüft. Für einige Punkte wurden wir gelobt, an vielen Stellen jedoch wurden wir stark kritisiert – vollkommen zu Recht!

Mit freiwilligen Lösungen und allgemein formulierten Zielen kommen wir hier nicht weiter.

Ich setze mich daher sowohl bei der Umsetzung der UN-BRK als auch bei der Durchsetzung der Barrierefreiheit für verbindliche, klar formulierte Rechte ein, die begleitet werden von einem effektiven Rechtsschutz, der jeder und jedem Einzelnen die Möglichkeit gibt, diese Rechte auch geltend zu machen.

In diesem Zusammenhang wird auch die angekündigte Novelle des Behindertengleichstellungsgesetzes (BGG) von größter Wichtigkeit für die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen sein, denn hier sollten das Benachteiligungsverbot und die Pflicht zu angemessenen Vorkehrungen auf private Anbieter von Gütern und Dienstleistungen ausgeweitet werden. Dieser Schritt ist von ganz wesentlicher Bedeutung.

Aktuell ist die Zuständigkeit der Schlichtungsstelle BGG durch das Gesetz eng begrenzt, im Wesentlichen auf Bundesbehörden. Mit der Regelung des Zutrittsrechts mit Assistenzhunden im BGG gab es jedoch bereits 2021 eine erste Erweiterung der Zuständigkeit auf den privaten Bereich. Schlichtungsverfahren zu diesem Thema machen inzwischen mehr als 20 Prozent der Verfahren aus. Mit dem 2025 in Kraft tretenden Barrierefreiheitsstärkungsgesetz und den darin geregelten Barrierefreiheitsanforderungen an Produkte und Dienstleistungen hat der Gesetzgeber eine noch viel größere neue Zuständigkeit für die Schlichtungsstelle BGG vorgesehen. Dies betrifft zum Beispiel den Online-Handel. Die BGG-Novelle wäre der nächste Schritt, der diese Zuständigkeit für die Schlichtung im gesamten privaten Bereich vervollständigt.

Bereits mit der aktuellen Zuständigkeit, rasant ansteigenden Antragszahlen um mehr als 40 Prozent im Jahr 2023 und einer Fortsetzung dieser Entwicklung im laufenden Jahr ist bestätigt, dass das niedrigschwellige, kostenlose Schlichtungsverfahren für Menschen mit Behinderungen ein ganz wesentliches Instrument zur Durchsetzung der Rechte aus dem BGG ist. Die Erfahrungen der Schlichtungsstelle BGG, die in ihrem Jahresbericht wieder mit eindrucksvollen Fallbeispielen anschaulich gemacht werden, zeigen auch: Für Menschen mit Behinderungen ist es nicht nur wichtig, rechtliche Unterstützung und ein barrierefreies Verfahren zu erhalten. Oft brauchen die Antragstellerinnen und Antragsteller auch einfach Ansprechpartner, die ein offenes Ohr, Zeit und Einfühlungsvermögen für sie haben. Hierfür Ressourcen bereitzustellen ist nötig für die wichtige Arbeit der Schlichterinnen und Schlichter und der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Geschäftsstelle und lässt sich allein an Fallzahlen kaum ablesen. Dass ausreichende personelle Ressourcen essenziell sind, dürfte offenkundig sein. Das gilt auch für zukünftige Aufgaben der Schlichtungsstelle.

Die Schlichtungsstelle schafft in vielen Fällen Rechtsfrieden und leistet damit einen wichtigen Beitrag zu Inklusion und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen in Deutschland – und dafür bin ich dankbar.

Fallbeispiele im Jahr 2023

Fall 1: Die passende Wohnung

Eine in der Bundesverwaltung tätige Antragstellerin hatte sich um die Vergabe von Wohnungen bemüht, bei denen der Bund Eigentümer ist. Sie versuchte immer wieder vergeblich, den Zuschlag für eine Wohnung zu erhalten. Die körperlich beeinträchtigte Antragstellerin wandte sich an die Schlichtungsstelle und berief sich darauf, dass zum Ausgleich von Benachteiligungen eine bevorzugte Vergabe der zur Verfügung stehenden Wohnungen an Menschen mit Behinderungen erfolgen müsse. Die immer wiederkehrenden Absagen mit dem Hinweis, dass ein anderer Bewerber bevorzugt zu berücksichtigen gewesen sei, ließen sie darauf schließen, dass keine ausreichende Berücksichtigung ihrer Behinderung erfolgt sei. Während des Schlichtungsverfahrens erhielt sie eine für ihre Behinderung passend ausgestattete Wohnung.

Fall 2: Die passende Rehabilitations-Klinik

Ein sehbehinderter Antragsteller mit psychischer Erkrankung hatte bei einem Sozialversicherungsträger eine Maßnahme zur medizinischen Rehabilitation beantragt. Diese wurde auch bewilligt. Bei der Zuweisung einer Klinik erlebte er allerdings eine aus seiner Sicht böse Überraschung, da er die Rehabilitation in einer Klinik für Alterserkrankungen (mit geriatrischem Schwerpunkt) durchführen sollte. Dies fand er für sich völlig unpassend und legte Widerspruch ein. Dieser wurde abgelehnt mit der Begründung, dass die aus seiner Sicht passende Klinik eine zu lange Wartezeit habe. Im Rahmen des Schlichtungsverfahrens konnte erreicht werden, dass sein Antrag noch einmal geprüft wurde und zeitnah die Rehabilitation in einer auf die Krankheit spezialisierten barrierefreien Klinik stattfinden konnte.

Fall 3: Barriere auf dem Weg zum Dienst

Wegen einer störungsanfälligen Türöffnungsanlage hatte ein Beschäftigter einer Bundesbehörde mit seinem Rollstuhl immer wieder Probleme, ohne Hilfe von Kollegen von der Tiefgarage in das Dienstgebäude zu gelangen. Über Monate hinweg konnte keine dauerhafte Behebung des Problems erreicht werden. Im Rahmen des Schlichtungsverfahrens wurde noch einmal intensiv daran gearbeitet und der Mangel schließlich behoben.

Fall 4: Kosten für Dolmetschung in Deutscher Gebärdensprache

Ein gehörloser Antragsteller beantragte eine berufliche Rehabilitation (Umschulungsmaßnahme) mit Gebärdensprachdolmetschung bei einem wohnortnahen Träger. Der Reha-Träger bewilligte diese dem Grunde nach, verwies ihn wegen geringerer Kosten für die Gebärdensprachdolmetschung aber an einen Träger, der rund 1000 km entfernt von seinem Wohnort war. Dies hätte für ihn den Antragsteller die einschneidende Folge, dass er seine langjährige Wohnung, sein gesamtes Umfeld und sein Haustier hätte aufgeben müssen. Hiergegen wandte er sich mit seinem Schlichtungsantrag. Der Rehabilitationsträger (Reha-Träger) war allerdings nicht zu einem Einlenken bereit. Begründung: Die Gebärdensprachdolmetschung während der Umschulung falle nicht unter § 9 BGG, da sie nicht mehr Teil des Verwaltungsverfahrens sei. Der Reha-Träger vertrat zudem die Auffassung, sie falle auch nicht unter § 17 Absatz. 2 SGB I, der einen Anspruch auf Gebärdensprachdolmetschung „bei Ausführung von Sozialleistungen“ enthält. Es handele sich vielmehr um eine eigene Teilhabeleistung, bei der der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zur Anwendung komme. Welche Reichweite § 17 Absatz, 2 SGB I hat, ist höchstrichterlich bislang nicht geklärt. Es konnte keine gütliche Einigung erreicht werden.

Fall 5: Nicht wahrnehmbarer Zahlungsbescheid

Eine blinde Studienabsolventin wollte ihr BAföG-Darlehen zurückzahlen. Dies wurde dadurch erschwert, dass Briefe und Formulare, unter anderem zur Einkommensermittlung, für die Antragstellerin nicht lesbar waren. Zudem war das Online-Tool der zuständigen Behörde für blinde Menschen nicht barrierefrei. Obwohl die Antragstellerin in der Erwiderung auf den Zahlungsbescheid eine Kopie ihres Schwerbehindertenausweises mit deutlichen Merkzeichen BL (Blind) und TBL (Taubblind) eingereicht hatte, erhielt sie keine Hilfe der Behörde. Der Sachbearbeiter war für sie telefonisch nicht erreichbar. Stattdessen landete die Akademikerin in einer Warteschleife am Telefon. Sie konnte auch keine Nachricht hinterlassen oder um einen Rückruf bitten. Da so ihre Probleme nicht fristgerecht geklärt werden konnten und es ihr nicht möglich war, sich barrierefreie Informationen für ihr weiteres Handeln zu besorgen, verstrichen Fristen, in denen sie eine zinsgünstige Einmal-Rückzahlung hätte nutzen können.

Im Schlichtungsverfahren wurde festgestellt, dass von Anfang an keine Barrierefreiheit im Verfahren gegeben war. Deshalb wurde die Antragstellerin mit ihrem Antrag so behandelt, als sei die Frist, die sie ohne ihr Verschulden versäumt hatte, noch nicht abgelaufen (Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand). Das ursprüngliche Angebot einer zinsgünstigen Einmal-Rückzahlung wurde ihr erneut und barrierefrei unterbreitet – in Großschrift und mit Erläuterung für die blinde Antragstellerin. Das Angebot wurde von der Antragstellerin genutzt, und sie hat das Darlehen zu günstigen Konditionen zurückgezahlt.

Zusätzlich wurde durch das Schlichtungsverfahren deutlich, dass es in der Behörde keinen strukturierten Prozess und keine Sensibilität der zuständigen Sachbearbeitung gab, um die Wünsche und Rechte von Menschen mit Behinderungen im Bereich Barrierefreiheit zu verwirklichen. Eine Lösung wurde erst möglich, nachdem das Rechts- und Grundsatzreferat in das Schlichtungsverfahren einbezogen wurde. Dies hat jetzt einen strukturierten Prozess zur Umsetzung der Rechte auf barrierefreie Kommunikation angeregt.

Fall 6: Der Lagebericht in Leichter Sprache

Die Pressestelle eines Beauftragten der Bundesregierung hatte zu seinem Themenbereich einen Lagebericht auf seiner Website veröffentlicht. Der Antragsteller bat die Pressestelle um eine Zusammenfassung des Berichtes in Leichter Sprache. Die Bitte des Antragstellers wurde von der Pressestelle mit wenig Sensibilität für den Betroffenen behandelt. Er wurde auf eine vorhandene barrierefreie PDF des Berichtes hingewiesen. Weitere Wünsche wurden mit dem Argument abgewiesen, dass die Vorschriften der BITV 2.0 zur Leichten Sprache den Antragsgegner nicht dazu verpflichte, auch die auf die Website eingestellte Dokumente in Leichter Sprache anzubieten.

Nachdem die Schlichterin den Antragsgegner auf die Rechtslage hingewiesen hatte, erklärte dieser sich bereit, die gewünschte Zusammenfassung zu erstellen und auf seiner Website zu veröffentlichen. Offenbar gab es beim Antragsgegner aber keine Erfahrung und keinen eingespielten Prozess für die Übertragung in Leichte Sprache, denn trotz seines Erfolges im Schlichtungsverfahren musste der Antragsteller weitere fünf Monate warten, bis die erbetene Zusammenfassung in Leichter Sprache (neun Seiten ohne Layout) auf der Webseite erschien. Dafür steht sie nun nicht nur dem Antragsteller, sondern allen, die Leichte Sprache benötigen, zur Verfügung.

Fall 7: Umbauarbeiten an der Website

Ein blinder Antragsteller stieß bei der Nutzung des Online-Angebots einer Bundesbehörde auf eine Reihe von Barrieren. Grafiken mit statistischen Daten waren nicht mit Alternativtexten versehen, Texte waren mit dem Screen-Reader nicht zu lesen, PDF-Dokumente waren nicht barrierefrei. Die Barrierefreiheitserklärung, in der diese Mängel aufgelistet waren, war nicht nach den Vorschriften der BITV 2.0 aktualisiert. Die Mängel waren teilweise bereits in den Prüfberichten der Überwachungsstelle des Bundes für Barrierefreiheit von Informationstechnik (BFIT) aufgelistet worden, die die Website in den vorangegangenen zwei Jahren geprüft hatte. Die BFIT wurde deshalb als sachkundige Stelle (§ 8 BGleisV) zum Schlichtungsverfahren hinzugezogen.

Die Behörde verwies in ihrer Stellungnahme auf laufende Umbauarbeiten an der Website und bekräftigte das Ziel, dabei den Online-Auftritt umfassend barrierefrei zu machen. Nach einem schriftlich geführten, fast ein Jahr dauernden Verfahren, nahmen der Antragsteller und die Bundesbehörde einen Schlichtungsvorschlag des Schlichters an: Die Behörde erklärte sich bereit, in genau bestimmten Zeiträumen die Website schrittweise zu überarbeiten und dabei die Barrieren zu beseitigen, die vom Antragsteller und der BFIT bemängelt wurden. Die Erklärung zur Barrierefreiheit für die Website soll entsprechend der Fortschritte aktualisiert werden. Die Behörde erklärte sich auch bereit, dem Antragsteller eine Ansprechperson zu benennen, die ihm bei künftigen Anfragen direkt antwortet. Die Mailadresse der Ansprechperson soll auch in der Barrierefreiheitserklärung aufgenommen werden.

Fall 8: Comedy Show nur mit Maulkorb

Eine Antragstellerin wollte mit ihrem ausgebildeten Assistenzhund eine Comedy-Show in einer großen Veranstaltungshalle besuchen. Die Hausordnung erlaubte die Mitnahme von Hunden nur, wenn diese einen Maulkorb tragen. Der Betreiber lehnte eine Ausnahme für den Assistenzhund ab. Es sei für andere Besucher unzumutbar, dem Risiko durch einen Hund ohne Maulkorb ausgesetzt zu sein. Die Antragstellerin argumentierte, dass ihr Hund entsprechend ausgebildet sei und ihr durch die §§ 12 e ff. BGG ein unbeschränktes Zugangsrecht mit ihrem Hund zustehe. Zudem könne der Hund mit Maulkorb seine erlernte Funktion nicht mehr erfüllen. Diese bestehe unter anderem darin, der Antragstellerin Notfallmedikamente zu bringen. Im schriftlichen Schlichtungsverfahren, das mit dem Rechtsanwalt des Antragsgegners geführt wurde, erklärte sich der Antragsgegner zu einer Ergänzung der Hausordnung bereit. Künftig erhält ein Assistenzhund auch ohne Maulkorb Zutritt zu Veranstaltungen, wenn er die Vorschiften der Assistenzhundeverordnung erfüllt und nach § 26 AHundV gekennzeichnet ist.

Fall 9: Barrieren im TAN-Verfahren

Ein blinder Antragsteller, der beruflich oft auf Reisen war, wandte sich an die Schlichtungsstelle BGG, um wieder am mobilen Banking per Smartphone teilnehmen zu können. Seine private Geschäftsbank, bei der er sein Girokonto führte, hatte bei ihrer Banking-App Änderungen im TAN-Verfahren vorgenommen. Die neugestaltete App der Bank war für ihn dadurch nicht mehr barrierefrei nutzbar. Die Schlichtungsstelle BGG musste den Fall ablehnen, da es sich bei der Bank nicht um eine öffentliche Stelle des Bundes handelte. Mit Inkrafttreten des BFSG im Juni 2025 wird die Schlichtungsstelle BGG in solchen Fällen zukünftig ein Schlichtungsverfahren durchführen können.

Fall 10: Online-Banking mit der Mutter

Der Sohn einer Bankkundin stellte in ihrem Auftrag einen Antrag an die Schlichtungsstelle. Seine betagte Mutter habe bei einer privaten Online-Bank ein Tagesgeldkonto eröffnen wollen. Dazu sei die Identifizierung mit einem Video-Ident-Verfahren notwendig gewesen. Dieses Verfahren habe die Mutter aber aufgrund verschiedener körperlicher Einschränkungen nicht allein durchführen können. Sie bat darum, dass ihr Sohn sie bei dem Verfahren unterstützen dürfe. Die Bank habe aber darauf bestanden, dass sie das Identifikationsverfahren allein, ohne Anwesenheit einer dritten Person abwickle, um eine Beeinflussung zu vermeiden. Auch Angehörige seien als Hilfestellung ausgeschlossen, selbst wenn diese über weitreichende Vollmachten verfügen. 

Obwohl es sich hier um einen Fall der digitalen Barrierefreiheit handelte, musste die Schlichtungsstelle nach der derzeitigen Rechtslage die Eröffnung eines Schlichtungsverfahrens ablehnen. Solche Verfahren sind derzeit nur gegen öffentliche Stellen möglich. Mit ihrem Wunsch nach Schlichtung mit dem Unternehmen konnte die Antragstellerin nur an die Universalschlichtungsstelle des Bundes mail@universalschlichtungsstelle.de weiter verwiesen werden. Auch nach dem BFSG wird die Schlichtungsstelle BGG in solchen Fällen kein Schlichtungsverfahren durchführen können, da es nicht um eine Frage der IT-Barrierefreiheit geht, sondern um angemessene Vorkehrungen für die das BFSG keine Regelungen trifft.

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