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„Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“

Ihrer Ideologie entsprechend, lehnen Angehörige dieses Phänomenbereiches staatliche Institutionen, behördliche Repräsentanten sowie deren Maßnahmen ab. Dies reicht bis zur vollständigen Leugnung der Existenz der Bundesrepublik Deutschland und der Zurückweisung der bestehenden Rechtsordnung. Die Bestrebungen der „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“ richten sich demnach gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung.

„Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“ bilden eine organisatorisch und ideologisch heterogene Szene, die überwiegend auf sich selbst bezogen ist. Meist agieren diese Personen für sich oder als (loser) Personenzusammenschluss. Vereinzelt bilden sich lokal größere Gruppen. Darüber hinaus existieren aber auch bundesweit aktive Gruppierungen oder Vereine, die regelmäßig um neue Mitglieder werben.

Die Intentionen der einzelnen Akteure sind vielfältig. Es finden sich selbsternannte „Aussteiger“, Querulanten und politische Provokateure, Verschwörungstheoretiker oder auch berechnende Geschäftemacher, die sich z. B. mit der Ausstellung von Fantasiedokumenten durch „Gleichgesinnte“ finanzieren. Nur ein tatsächlich geringer Anteil der „Reichsbürger“-Szene kann ideologisch ebenfalls dem Rechtsextremismus zugeordnet werden.

„Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“ vertreten zumeist politische Ansichten, die nicht im Einklang mit dem Grundgesetz stehen. Sie begründen Ihre Motive häufig mit pseudojuristischen und pseudohistorischen Argumentationsmustern, mit verschwörungstheoretischen Ansätzen oder mit selbst definierten Naturrechten. Folgende Kernaussagen sind regelmäßig zu finden:

  • Das Deutsche Reich ist nicht untergegangen.
  • Die Bundesrepublik Deutschland ist kein souveräner Staat.
  • Deutschland befindet sich weiterhin im Kriegszustand. Dabei gibt es verschiedene Vorstellungen, die auf einem Kriegszustand seit 1918 oder dem Fehlen eines Friedensvertrages mit den Alliierten nach 1945 beruhen.
  • Es gilt die Haager Landkriegsordnung.
  • Das Grundgesetz ist keine Verfassung.
  • Die Bundesrepublik ist untergegangen.
  • Die Bundesrepublik Deutschland ist kein Staat, sondern eine privatrechtliche „BRD GmbH“.
  • Das Recht der Bundesrepublik widerspricht dem Gewohnheitsrecht nach Brauch und Sitte vor der gegenwärtigen Zeitrechnung.
  • Der wirkliche Herrscher der Welt ist das „finanzmächtige internationale Judentum“.

Darüber hinaus nehmen „Selbstverwalter“ für sich in Anspruch, aus der Bundesrepublik „austreten“ zu können und reklamieren für sich ihre rechtliche Autonomie mit territorialem Hoheitsanspruch. Sie bezeichnen sich als „natürliche Personen im Sinne des § 1 BGB“, die in keinem „Vertragsverhältnis“ mit der „BRD-GmbH“ stehen. Die Abgabe dieser Erklärung erfolgt vielfach über „Proklamationen“, fiktive Urkunden oder „Privatautonome Willenserklärungen“, die den Verwaltungsbehörden übersandt werden.

„Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“ agieren in Thüringen überwiegend als Einzelakteure, mitunter schließen sie sich bundesweit bzw. überregional agierende Szenegruppierungen an. Zuweilen richten diese Gruppierungen ihre Treffen in Thüringen aus.

Verfassungsschutzpräsident Stephan J. Kramer:

Es darf keine rechtsfreien Räume geben. Hierzu gehört es, dass alle handelnden Ordnungsbehörden und ihre Mitarbeiter bei der Durchsetzung des Rechts von allen Verantwortlichen unterstützt und nicht allein gelassen werden. Der Verfassungsschutz leistet weiterhin seinen Beitrag dazu.  Reichsbürger dürfen auch in Thüringen nicht unterschätzt werden. Sie stellen eine ernste Gefahr für unsere Demokratie und insbesondere eine Gefahr für Behördenmitarbeiter dar. Vor diesem Hintergrund sind alle Verantwortlichen weiterhin aufgefordert, im Rahmen ihrer Möglichkeiten gegen diese Gruppierungen und insbesondere gegen alle Erscheinungsformen des Rechtsextremismus konsequent vorzugehen!“

Hinweise von Behörden auf „Reichsbürger"-Aktivitäten

Behörden können Hinweise auf „Reichsbürger"-Aktivitäten über ein Mitteilungsblatt an RB-Hinweise@afv.thueringen.de oder an das besondere Behördenpostfach des AfV übermitteln.

Grundsätzlich gilt im Umgang mit „Reichsbürgern“ oder „Selbstverwaltern“ Folgendes:

  • Lassen Sie sich auf keine Diskussionen ein und bewahren Sie Ruhe. Geben Sie keinesfalls nach! Geben Sie dem „Reichsbürger“ in seiner Argumentation nie Recht!
  • Handeln Sie schnell und konsequent.
  • Beleidigungen, Bedrohungen und weitere strafrechtlich relevante Verhaltensweisen sollten unverzüglich den Strafverfolgungsbehörden angezeigt werden.
  • Schriftwechsel sollte auf das absolut notwendige Mindestmaß beschränkt sein. Geben Sie auf konkret gestellte Anträge nur eine kurze schriftliche Antwort, denn Erläuterungen der Rechtsfragen überzeugen den Antragsteller meistens nicht und ziehen regelmäßig weitere Schreiben nach sich.
  • Stellen Sie Schriftstücke bei bekannten „Reichsbürgern" gegen Empfangsnachweis oder per Postzustellungsurkunde (PZU) zu.
  • Auf Erklärungen und Proklamationen sollte grundsätzlich nicht reagiert werden.
  • Szenetypische Materialien sollten dem Verfassungsschutz übermittelt werden.
  • Bei Ordnungswidrigkeiten (z.B. Zahlungsverweigerung bei Gebühren oder Verletzung der Ausweispflicht) sollten die Möglichkeiten der Ahndung durch Verhängung eines Bußgeldes etc. und die Vollstreckung im Verwaltungswege konsequent genutzt werden.
  • Vorsicht vor Beglaubigung von „Urkunden“ oder anderen Dokumenten von „Reichsbürgern". Dort könnte z.B. stehen, man sei „zu keinem Zeitpunkt auf hoher See verschollen“, oder „das Grundgesetz der BRD ist keine Verfassung.“
  • Vorsicht auch bei vermeintlichen Presseanfragen. „Reichsbürger" nutzen mitunter gefälschte Presseausweise oder auch solche, die ohne Nachweis einer journalistischen Tätigkeit im Internet zum Kauf angeboten werden.

Weitere Informationen

Das Thüringer Innenministerium in den sozialen Netzwerken: