THINK LATER

THINK LATER

Tate McRae ist nicht erst neuerdings zum Star geworden: Schon mit 13 Jahren schrieb sie als erste kanadische Finalistin bei „So You Think You Can Dance“ Geschichte. Mit grossem Ehrgeiz und unermüdlichem Einsatz sah McRae den Tanz jedoch nur als einen Teil ihres Handwerks, nicht als künstlerisches Markenzeichen. Die in Calgary geborene Künstlerin begann 2017 mit ersten Single-Veröffentlichungen und brachte 2020 ihre erste EP, „all the things i never said“, heraus. Zwei Jahre später veröffentlichte sie ihr Debütalbum „i used to think i could fly“. Es war ein Statement, ein Ruf von der Spitze des Berges: „Ich werde nirgendwo hingehen.“ McRae hat auf diesen entscheidenden Moment ein noch entschlosseneres Album folgen lassen, „THINK LATER“. Die Inspiration für den Titel kam ihr in einer Nacht, als sie ihr Telefon ausschaltete, um einem Typen hinterherzulaufen. Sie dachte, sie lebe im Moment, während ihre Freund:innen und Familie in Wirklichkeit keine Ahnung hatten, wo sie war; am nächsten Morgen hatte sie 70 verpasste Anrufe auf ihrem Handy. Dies dient als Metapher für das gesamte Album, auf dem sich McRae mit ihrer Rolle als Popikone und Vorbild auseinandersetzt, aber auch als junge Person, die versucht, ihren Platz in der Welt zu finden. „Ich treffe all diese grossen Entscheidungen in meiner Karriere, aber ich bin auch erst 20. Manchmal treffe ich eine grossartige Entscheidung und manchmal treffe ich die denkbar schlechteste“, sagt McRae gegenüber Apple Music. „Manchmal weiss ich einfach nicht, was ich denke, und es ist schwer zu sagen, ob mein Bauchgefühl mir das Richtige sagt. Das gehört zum Erwachsenwerden dazu, schätze ich.“ Dieser Zwiespalt zwischen Instinkt und reflektiertem Denken kommt am spielerischsten in „greedy“ zum Vorschein, der Leadsingle des Albums und einem der grössten Tracks des Jahres 2023. Zu Steeldrums und dröhnendem Bass singt McRae: „Baby, please believe me/I’ll put you through hell/Just to know me, yeah, yeah/So sure of yourself/Baby, don’t get greedy/That shit won’t end well.“ („Baby, bitte glaube mir, ich bringe dich durch die Hölle, nur um mich kennenzulernen, ja, ja, sei dir deiner selbst so sicher, Baby, werde nicht gierig. Das wird nicht gut enden.“) Die Versuchung ist da, McRae weiss es besser, aber vielleicht kann sie sich nicht helfen. „THINK LATER“ ist voll von ähnlich selbstbewussten Pop-Bangern, ungefilterten Höhen und Tiefen, die mit dem Aufwachsen als Prominente einhergehen. Im Folgenden erzählt McRae, welche Geschichten hinter den Songs stecken, wie sie mit schlechten Entscheidungen umgeht und wie schön es ist, nach Hause zu kommen. „cut my hair“ Ich wollte auf jeden Fall dafür sorgen, dass das Album ganz anders klingt als mein letztes. Auf „I used to think i could fly“ lebte ich in einer Welt, in der ich echt verwirrt war. Ich war 17 Jahre alt und zog allein nach L.A., versuchte Freundschaften zu schliessen und herauszufinden, wo ich hingehöre und was meine Bestimmung ist. Eines der wichtigsten Dinge, die in diesem Jahr passiert sind, war, dass ich viel an mir selbst gearbeitet und versucht habe, herauszufinden, was ich eigentlich im Leben will – und genau so fängt dieses Album an. Du kannst auf der ganzen Platte hören, dass ich mich über mein altes Ich und meine alten Songwriting-Gewohnheiten lustig mache. Ich spreche über die Entwicklung, die ich mit 20 Jahren und im vergangenen Jahr durchgemacht habe. Der Track fängt mit einer Geschichte über eine Person an, aber in der zweiten Strophe merkst du, dass ich mehr über mich selbst spreche, und es ist eher ein introspektiver Song als ein Lied über eine Beziehung. „greedy“ „greedy“ war ein grosser Wendepunkt für mich. Jedes Mal, wenn ich ins Studio kam, spielte mir [Producer Ryan] Tedder diesen Song vor. Ich hatte furchtbare Angst davor, weil ich dachte: „Ich weiss nicht, was wir geschrieben haben. Es macht mir wirklich Angst, weil es so neu und so anders ist.“ Er sagte: „Angst ist eine gute Sache. Wenn du wegen einer Platte nervös bist, ist das wirklich gut.“ Die Tatsache, dass ich das überwunden und mich dann in etwas verliebt habe, vor dem ich so viel Angst hatte, hat bestimmt, wie ich das ganze Album angehen wollte. Es ist ein wirklich wichtiger Teil des Albums und war der Schlüssel dafür, wie wir es aufbauen und fertigstellen wollten. Musikalisch zeigt es, wo ich hinwollte, ein bisschen dunkler und poppiger. „run for the hills“ „run for the hills“ ist einer der ersten Songs, die wir für dieses Album geschrieben haben. Ich habe ihn allerdings mehrmals umgeschrieben, da ich das Gefühl der Beziehung, die ich gerade durchmachte, wirklich festhalten wollte. Ich war absolut besessen davon und ich war besessen von dieser Person. Ich begann, mich in die Toxizität der Beziehung zu verlieben. Normalerweise bin ich sehr stur und glaube, dass ich mich aus jeder Situation befreien kann, aber aus irgendeinem Grund steckte ich in diesem ständigen Kreislauf des Angewiesenseins fest. Jetzt bin ich auf der anderen Seite und kann sagen: „Gott sei Dank bin ich allein“, aber ich glaube, in dem Moment war es ein Mix aus den schlimmsten und den magischsten Gefühlen aller Zeiten. „hurt my feelings“ Das ist einer meiner gewagteren Songs, in dem es darum geht, dass du eine Person willst, die du nicht haben kannst und die nicht dir gehört, und dass du denkst: „Gott, ich habe das Gefühl, dass ich immer wieder von dieser einen Person träume, aber sie gehört mir einfach nicht. Das Einzige, was ich tun kann, ist, darüber zu schreiben.“ Es ist lustig, denn ich habe das Gefühl, dass dieser Song oft missinterpretiert wird, da der Titel das Gegenteil von dem ist, was ich sage. Ich will, dass du meine Gefühle verletzt. Ich will, dass du in meinem Leben bist. Ich will dich so sehr und ich kann dich einfach nicht haben. „grave“ Ich habe ein ganzes Jahr lang dieses Hin und Her zwischen Liebe und Hass durchgemacht und war in diesem Wirbelwind gefangen und sehr vernarrt in all das. Ich konnte mich nicht aus diesem Loch befreien. Alle sagten mir, dass ich total verrückt sei, weil ich das alles so toll fand. Als ich dann anfing, „grave“ zu schreiben, wurde mir zum ersten Mal bewusst, was tatsächlich passiert war; die rosarote Brille wurde zum ersten Mal abgenommen. Es gibt eine Zeile, in der ich sage: „I hold my grudges like I held you“ („Ich hege meinen Groll, wie ich dich gehegt habe“). Das beschreibt mich als Person perfekt. Ich glaube, eine meiner nicht so tollen Eigenschaften ist, dass ich sehr nachtragend und stur sein kann, wenn es darum geht, Leute abzuweisen, die mich schlecht behandelt haben. Man kann das Grab nur so tief schaufeln, bis es einen Punkt gibt, an dem es kein Zurück mehr gibt. „stay done“ Es fällt mir schwer, Liebeslieder zu schreiben. Vor allem fällt es mir schwer, romantische Songs im Studio zu schreiben, aber das ist einer meiner süssesten Songs – auf eine abgefuckte Art und Weise. Es handelt davon, dass ich immer noch in dich verliebt sein kann, selbst wenn du mich anschreist. Ich kann eine Situation immer noch wunderschön finden, selbst wenn es die schlimmstmögliche ist. In der zweiten Strophe heisst es: „It’s a one-way street I can’t get off“ („Es ist eine Einbahnstrasse, aus der ich nicht herauskomme“). So habe ich mich in der Beziehung gefühlt. Visuell war das die beste Art, es zu beschreiben: eine Einbahnstrasse mit Höchstgeschwindigkeit entlangzufahren, während es keine Möglichkeit gibt umzukehren. Man kann einfach nicht zurück. „exes“ Mein Label hat mir gesagt: „Heute ist der letzte Tag, an dem du das Album fertigstellen kannst.“ Sie sagten: „Tu nichts anderes, als es fertigzustellen. Wir müssen es abliefern.“ Tedder und ich sagten: „Okay, wir stellen uns einen Timer und haben nur 30 Minuten Zeit für einen letzten Song“, denn ich hatte das Gefühl, dass ein kleiner Teil des Albums fehlte – ich brauchte einen peppigen Popsong, den wir meiner Meinung nach noch nicht hatten. Als wir ins Studio kamen, hatten wir schon einen Beat vorbereitet. Ryan und ich kamen buchstäblich durch die Tür und sofort sagten wir: „Kisses to my exes“. Wir haben einfach angefangen zu singen. Das war sehr lustig. Am Ende haben wir den Song in genau 30 Minuten geschrieben. Er wurde in 90 Minuten eingespielt und aufgenommen. Am Ende des Tages war er komplett produziert und fertig. Wir haben ihn schliesslich an das Label geschickt. „we’re not alike“ Ich werde meinen Freundinnen immer den Rücken freihalten. Ich werde immer den Mädelskodex beachten und die Grenzen respektieren, die du nicht überschreitest, und die Grenzen, die du bei deinen Freundinnen einhältst. Ich glaube, nur so kann man eine Freundschaft aufrechterhalten. Ich habe eine Situation erlebt, in der sie und ich völlig unterschiedliche Moralvorstellungen hatten. Ich mag es nicht, online darüber zu reden oder die Dinge durcheinanderzubringen, aber ich schreibe gerne darüber, als eine Art Therapie. „calgary“ Als ich jünger war, war es mein grösster Wunsch, aus Calgary wegzukommen und nach L.A. zu ziehen. Jetzt, wo ich ein wenig älter bin, merke ich, wie sehr ich meine Heimatstadt schätze. Vieles an diesem Album ist von meinen kanadischen Wurzeln inspiriert, vor allem die Bilder und Musikvideos. Sie zeigen, wo ich herkomme und was ich in meiner Kindheit gesehen, gehört und erlebt habe. „calgary“ habe ich geschrieben, als ich im Sommer nach Hause fuhr und mit all meinen Freund:innen zusammen war. Sobald ich nach Hause komme, fühle ich mich, als wäre ich wieder 15 Jahre alt. Ich kann mich so sehr weiterentwickeln und so viele Dinge in meinem Leben durchmachen, aber wenn ich nach Hause komme, fühle ich mich genauso, wie ich mich in der zehnten Klasse gefühlt habe. Es geht um meinen Bruder, es geht um meine Familie und es geht um meine Freund:innen aus der Mittelschule. Ich habe noch nie über so ein Thema gesprochen, da diese Gefühle unterdrückt wurden. „messier“ Ich habe diesen Song in 20 Minuten unter der Dusche geschrieben. Am Ende habe ich einen schrägen YouTube-Beat gefunden und alle Melodien auf der Gitarre geschrieben. Mein Producer fügte ein paar Akkorde hinzu und ich wusste, dass ich einen Song namens „messier“ („chaotischer“) wollte. In diesem Song geht es darum, dass zwei Menschen zusammen ein noch grösseres Durcheinander sind, auch wenn sie alleine schon chaotisch sind. Es geht darum: „Du bist die einzige Person, die mir unter die Haut gehen kann, weil ich dich so sehr liebe und weil du die einzige Person bist, die ich je wollte.“ Das ist der Grund, warum Feuer, das auf Feuer trifft, die grösste Explosion und das grösste Chaos verursacht. „think later“ „think later“ wurde ebenfalls in der Woche geschrieben, bevor wir das Album ans Label schickten. Wir wollten einfach einen superharten, basslastigen Song mit den gewagtesten Lyrics machen, die uns einfielen. Ich erinnere mich, dass mich jemand fragte: „Was war die krasseste ‚think later‘-Situation, die du je erlebt hast?“ Und ich antwortete: „Als ich meinen Ex-Freund traf.“ Es war diese wirklich verrückte Geschichte, in der ich mich eine Nacht lang wie eine verrückte Bestie benommen habe, was so witzig ist, da ich eigentlich eine ziemlich schüchterne Kanadierin bin, die die meiste Zeit sehr brav ist. Ich erinnere mich, dass ich in dieser einen Nacht mein Handy ausgeschaltet und einfach nur versucht habe, mich im Moment zu verlieren. Es war die chaotischste Nacht meines Lebens, in der jeder wissen wollte, wo ich war. Im Grunde haben wir die Geschichte in dem Song erzählt und diese echt turbulente Nacht in meinem Leben aufgearbeitet. Der Song war für das Album sehr notwendig, weil er ein perfektes Beispiel dafür ist, wie dieses ganze Chaos begann. „guilty conscience“ Hier geht es um meine Hingabe zu dieser Person und darum, dass ich an ihrer Seite sein wollte, egal, was die Leute um mich herum sagten, egal was die Leute über das, was ich tat, dachten. Ich war so stur, dass ich für immer daran festhalten wollte. Ich wollte nicht loslassen. „want that too“ Ich schrieb über die Musikindustrie und einige Situationen, die ich durchgemacht hatte. Ich war eine junge und naive 18-, 19-Jährige und dachte, ich könnte jedem vertrauen, dem ich begegne. Da wurde mir zum ersten Mal in meinem Leben klar, dass Freundlichkeit als Schwäche ausgelegt werden kann und ich einige Mauern aufbauen musste. Meine Grenzen mussten ein wenig stärker sein, um als junge Frau in der Branche nicht übergangen zu werden. Damals bekam ich zum ersten Mal zu spüren, wie es ist, eine junge Frau zu sein, die versucht, etwas aus ihrem Leben zu machen. In dem Text heisst es: „The second I find something good, I know that you’re going to want that too.“ („Sobald ich etwas Gutes gefunden habe, weiss ich, dass du das auch willst.“) Es ist eine sehr persönliche Geschichte und spiegelt das Gefühl wider, ausgenutzt zu werden und nicht zu wissen, was auf einen zukommt und von den Dingen überrumpelt zu werden. „plastic palm trees“ Ich liebe diese Lyrics schon lange: „Caught in dream till something in my head said, I’m sorry, you were just looking at plastic palm trees.“ („Ich war im Traum gefangen, bis etwas in meinem Kopf sagte: ‚Es tut mir leid, du hast dir nur Plastikpalmen angesehen.‘“) Das ist eine so coole Art, meine Gefühle für Los Angeles zu beschreiben – wie perfekt es aussieht. In einer Strasse in L.A. gibt es eine Reihe von makellosen Palmen, die buchstäblich unecht aussehen. Ich glaube sogar, dass sie von woanders importiert wurden. Ich glaube nicht, dass sie echt sind. L.A. kann wie ein perfekter Ort wirken, und es gibt eine Menge Dinge, über die die Leute nicht sprechen. Wenn man aus einer Stadt wie Calgary kommt, ist das ein ziemlicher Kulturschock. Ich begann, einen Ort mit vielen verschiedenen Persönlichkeiten und Charakteren zu entdecken.

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