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Umweltbundesamt

Studie legt Öko-Sünden der Massentierhalter offen

Autorenprofilbild von Claudia Ehrenstein
Von Claudia EhrensteinPolitikredakteurin
Veröffentlicht am 08.04.2015Lesedauer: 5 Minuten
Mit Antibiotikarückständen aus der Mast von Puten, Hähnchen, Schweinen und Kälbern steigt laut Bundesumweltamt die Gefahr, dass sich resistente Keime bilden. Tausende Puten in einem Stall in Bösel bei Oldenburg
Mit Antibiotikarückständen aus der Mast von Puten, Hähnchen, Schweinen und Kälbern steigt laut Umweltamtbundesamt die Gefahr, dass sich resistente Keime bilden. Tausende Puten in einem Stall in Bösel bei OldenburgQuelle: picture alliance

Die Landwirtschaft ist nach der Industrie zweitgrößter Verursacher von Treibhausgasen in Deutschland. Eine Studie des Umweltbundesamts zeigt nun, welchen Schaden die Agrarindustrie verursacht.

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Die Deutschen achten den Beruf des Bauern sehr und verbinden diese Wertschätzung mit hohen Erwartungen: So sollen Landwirte ihre Tiere gut behandeln und auch Natur und Umwelt schützen. Doch immer häufiger beschleichen Verbraucher Zweifel, ob in Ställen und auf Feldern tatsächlich genug getan wird, um Wasser, Boden und Luft zu schonen und Flora und Fauna zu bewahren. Eine Studie des Umweltbundesamts (Uba) zeigt nun in alarmierender Deutlichkeit, dass dieses Misstrauen durchaus begründet ist. „Die intensive Landwirtschaft verursacht eine Reihe von Umweltproblemen“, heißt es in dem 40-seitigen Papier, das der „Welt“ vorab vorlag.

Die Landwirtschaft ist nach der Industrie der zweitgrößte Verursacher von Treibhausgasen in Deutschland, wie die Studie feststellt. Sie belastet die Umwelt mit Stickstoff, Phosphor und Schwermetallen. Pflanzenschutzmittel mit Breitbandwirkung töten nicht nur Schädlinge, sie vernichten auch andere nützliche Insekten und zerstören damit die Nahrungsgrundlage insektenfressender Vögel und Säugetiere. Immer mehr Arten verschwinden aus der Agrarlandschaft.

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Die größten Agrarumweltprobleme sind ohne Zweifel mit der räumlich konzentrierten Intensivtierhaltung in Großbetrieben verbunden

Maria Krautzberger,Uba-Präsidentin

Uba-Präsidentin Maria Krautzberger verweist vor allem auf die Probleme durch die Massentierhaltung: „Die größten Agrarumweltprobleme sind ohne Zweifel mit der räumlich konzentrierten Intensivtierhaltung in Großbetrieben verbunden.“ Aus den Ställen entweicht Ammoniak, das die Bildung von Feinstaub fördert. Gülle, die eigentlich ein wertvoller Dünger ist, wird in zu großer Menge zur Belastung für die Umwelt. Und mit Antibiotikarückständen aus der Mast von Schweinen, Hähnchen, Puten und Kälbern steigt die Gefahr, dass sich resistente Keime bilden.

Während in anderen Bereichen die Umweltbelastung in den vergangenen 30 Jahren durch technische Maßnahmen wie Filter oder Kläranlagen deutlich reduziert werden konnte, hat es laut Studie in der Landwirtschaft kaum Verbesserungen gegeben. Das liege daran, dass Bauern „weitgehend in einem offenen System“ – also in der Natur und mit der Natur – arbeiten und die Quellen für Schadstoffeinträge sehr vielfältig und weit verteilt sind. Die Landwirtschaft ist mit mehr als 50 Prozent der größte Flächennutzer in Deutschland. Besonders dramatisch ist die Situation beim Stickstoff. Die Landwirtschaft ist für mehr als die Hälfte (57 Prozent) der Belastung verantwortlich und damit der Spitzenreiter unter den Umweltsündern. Verkehr, Industrie und Siedlungsabwässer verursachen jeweils rund 14 Prozent.

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Mit der Gülle aus der Tierhaltung gelangt Stickstoff auf Wiesen und Äcker, der zum Teil als Lachgas, ein sehr wirksames Treibhausgas, in die Atmosphäre entweicht und damit das Klima beeinflusst. Als Nitrat wird überschüssiger Stickstoff, der von den Pflanzen nicht aufgenommen werden kann, in Flüsse, Seen und Meere geschwemmt. Oder er sickert ins Grundwasser, die wichtigste Quelle für Trinkwasser in Deutschland. Heute schon halten nach Angaben des Uba rund 15 Prozent der Grundwasservorräte den Nitratgrenzwert von 50 Milligramm pro Liter nicht mehr ein.

Nitrat wandelt sich im Körper zu Nitrosaminen um, die den Sauerstofftransport im Blut behindern. Zudem stehen Nitrosamine im Verdacht, Krebs zu verursachen. Das Grundwasser muss daher zu hohen Kosten gereinigt werden, um trinkwassertauglich zu sein. Krautzberger nannte es „ungerecht“, dass die hohen Umweltkosten in der konventionellen Landwirtschaft in den Marktpreisen bislang nicht berücksichtigt, sondern der Gesellschaft insgesamt aufgebürdet werden.

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Quelle: Umweltbundesamt

„Die Landwirtschaft ist verantwortlich dafür, dass rechtlich verbindliche Umweltqualitätsziele nicht erreicht wurden und werden“, heißt es in der Studie. Dabei fehlt es laut Krautzberger nicht an Vorschriften. Es würden aber zu wenige Betriebe kontrolliert und bei Verstößen gebe es zu wenig spürbare Konsequenzen. Die Studie warnt daher vor weiteren Belastungen für die Umwelt: „Die derzeitige Entwicklung lässt auch nicht erkennen, dass eine baldige Trendumkehr zu erwarten wäre.“

Um die Umwelt und damit auch die Verbraucher zu entlasten, fordert sie die Ausweitung des Ökolandbaus in Deutschland. „Der Anteil muss auf 20 Prozent erhöht werden“, sagte Krautzberger der „Welt“. Als Frist für das 20-Prozent-Ziel nannte sie das Jahr 2020. Derzeit wird lediglich auf sechs Prozent der landwirtschaftlichen Fläche in Deutschland ökologisch gewirtschaftet.

Ökolandwirte müssen sich an strenge Auflagen halten, auf Kunstdünger und chemische Pflanzenschutzmittel verzichten sowie auf ihren Feldern eine bestimmte Fruchtfolge einhalten. „Eine stärkere finanzielle Förderung des ökologischen Landbaus ist unbedingt erforderlich“, sagte Krautzberger. Wenn es so weitergehe wie bisher, werde das 20-Prozent-Ziel erst im Jahr 2070 erreicht. Es fehlten Anreize für umsteigewillige Landwirte wie in der Umgebung der Städte München und Leipzig, wo die Wasserversorger Bauern in den Trinkwassergewinnungsgebieten beraten und dabei unterstützen, ihren Betrieb auf Ökolandbau umzustellen.

Gülle ist eigentlich ein wertvoller Dünger, in zu großer Menge belastet sie die Umwelt
Gülle ist eigentlich ein wertvoller Dünger, in zu großer Menge belastet sie die UmweltQuelle: picture-alliance / dpa

Eigentlich hatte die Bundesregierung im Rahmen ihrer Nachhaltigkeitsstrategie den Anteil des Ökolandbaus schon bis 2010 auf 20 Prozent erhöhen wollen. „Dieses Ziel wurde klar verfehlt“, sagte Krautzberger. Stattdessen haben sich viele Bauern für den viel lukrativeren Anbau von Mais für Biogasanlagen entschieden. Das hat zu einer starken Konkurrenz um die verfügbaren Flächen und damit zu einem zum Teil drastischen Anstieg der Pachtpreise geführt. Wo die Pachtpreise am höchsten sind, ist der Anteil der ökologisch bewirtschafteten Flächen am geringsten.

Krautzberger sieht im Ökolandbau nicht nur positive Folgen für Umwelt und Natur, sondern auch wirtschaftliche Chancen für die ländlichen Räume in Deutschland. Allerdings löst das 20-Prozent-Ziel allein die Umweltprobleme der Landwirtschaft noch nicht. Immerhin würden dann weiterhin noch 80 Prozent der rund 17 Millionen Hektar landwirtschaftlicher Flächen in Deutschland konventionell genutzt werden.

Es sei eine „insgesamt weniger intensive Landwirtschaft“ erforderlich, um den weiteren Rückgang vieler bedrohter Arten zu verhindern, lautet das Fazit der Studie. Zusätzliche Hecken, Blühstreifen und begrünte Feldränder könnten neue Lebensräume schaffen. Und Krautzberger ergänzt: „Die Landwirtschaft sollte insgesamt weniger Dünger verwenden und den wirklich benötigten Dünger emissionsärmer ausbringen.“