Sichere Pferdehaltung
Die Pferdehaltung gehört zu den Unfallschwerpunkten in der Landwirtschaft. Der überwiegende Teil der Unfälle ereignet sich im Umgang mit dem Tier. Hier erhalten Sie Informationen und Tipps zum sicheren und gesunden Arbeiten mit Pferden.
Die Arbeit mit Pferden wird sicherer, wenn Mensch und Tier sich verstehen, wenn alle, die in der Pferdehaltung arbeiten, die Grundregeln im Umgang mit Pferden konsequent beherzigen und wenn Sie als Betriebsleitung mangelhafte bauliche Anlagen umgehend sanieren oder ersetzen.
Aus der Unfallstatistik
Jeder fünfte Unfall in den grünen Berufen ereignet sich bei Arbeiten in der Tierhaltung - das geht aus der Unfallstatistik der SVLFG hervor. Die Gründe dafür sind vielfältig. Viele verletzen sich, wenn sie direkt mit oder an den Tieren arbeiten. Leider enden einige dieser Unfälle auch tödlich.
So vermeiden Sie Unfälle mit Pferden
Als Unfallursache für Unfälle mit Pferden wird häufig „unvorhersehbares Pferdeverhalten“ genannt. Kenntnisse über natürliche, typische Verhaltensweisen des Pferdes sind daher eine wichtige Voraussetzung zur Unfallverhütung.
Das Pferd ist ein Fluchttier - es reagiert schreckhaft auf alles Fremde. Pferde in freier Wildbahn reagieren auf herannahende Feinde, z. B. Raubtiere, indem sie auskeilen und flüchten. Je früher sie den Feind wahrnehmen, um so größer ist ihre Überlebenschance.
Deshalb sind Pferde mit sehr feinen Sinnesorganen ausgestattet. Sie reagieren sofort auf jede Bewegung, fremde Geräusche oder Gerüche. Vor allem Unbekannten können sie erschrecken und mit Flucht reagieren.
Beim Annähern von hinten bemerkbar machen
Das Pferd hat im Gegensatz zum Menschen, bedingt durch die für ein Fluchttier typische seitliche Anordnung der Augen, eine fast komplette Rundumsicht. Lediglich den Bereich direkt vor der Stirn und einen größeren Winkel hinter der Hinterhand kann es nicht einsehen.
Dementsprechend sollte sich einem Pferd von schräg vorne genähert werden. Geht man von hinten auf ein Pferd zu, muss sich der Mensch unbedingt bemerkbar machen. Denn auch das ruhigste Pferd kann instinktiv reagieren und möglicherweise ausschlagen.
Hastige und unkontrollierte Bewegungen vermeiden
Die Sicht mit beiden Augen nach vorne (binokulare Sicht) ermöglicht dem Pferd dreidimensionales Sehen. In seitlicher Sicht mit einem Auge (monokulare Sicht) nimmt das Pferd jedoch nur zweidimensional wahr. Infolgedessen sehen Pferde ihre Umwelt deutlich unschärfer als Menschen.
Das Bewegungssehen ist dagegen stark ausgeprägt und Bewegen werden über weite Distanzen erkannt. So sehen Pferde 20 bis 30 Bilder pro Sekunde, Menschen hingegen nur fünf Bilder pro Sekunde.
Um Pferde nicht zu verunsichern, sollten daher in ihrer Umgebung hastige und unkontrollierte Bewegungen vermieden werden.
Helligkeitskontraste führen häufig zu Fluchtreaktionen
Im Umgang mit Pferden ist außerdem zu beachten, dass sie Helligkeitskontraste, zum Beispiel Pfützen, Schatten oder Sonnenlicht, viel stärker wahrnehmen als Menschen und hieraus plötzliche Fluchtreaktionen resultieren können.
Überdies benötigt das Pferdeauge zwei bis drei Minuten, bis es sich von Helligkeit auf Dunkelheit umgestellt hat, z. B. beim Verladen in einen dunklen Pferdetransporter oder beim Anreiten eines Hindernisses im Schatten.
Nach der Umstellung des Auges können Pferde im Dunkeln deutlich mehr erkennen als Menschen.
Pferdeaugen arbeiten unabhängig voneinander
Aufgrund der Anatomie des Pferdeauges werden am Boden liegende Objekte besonders gut wahrgenommen. Dies ist evolutionsbedingt, denn Raubtiere lauern am Boden und machen sich durch Bewegungen bemerkbar.
Darüber hinaus arbeiten die Pferdeaugen unabhängig voneinander, weshalb Pferde nach der Gewöhnung an einen unbekannten Gegenstand auf der einen Hand anschließend auf der anderen Hand erneut scheuen können. Für das Pferd nämlich stellt der Gegenstand ein komplett neues Objekt dar.
Gehör wie ein Radar
Die Ohren des Pferdes sind unabhängig voneinander wie ein Radar in alle Richtungen beweglich. Dies ermöglicht dem Pferd die Lokalisierung von Geräuschquellen.
Bedeutsam ist, dass Pferde in einem viel weiteren Frequenzbereich als der Mensch hören. So hören sie zum Beispiel die Ultraschallwellen von Fledermäusen.
Führen und loslassen
Beim Führen von Pferden ist stets zwischen dem Pferdekopf und der Schulter zu gehen. Führen Sie Pferde niemals nur am Halfter und achten Sie darauf, Führstricke oder Zügel nicht um das Handgelenk zu wickeln!
Soll das Pferd gewendet werden, z. B. zum Loslassen, erfolgt dies immer weg von der führenden Person.
Vor dem Loslassen muss das Pferd gedreht werden, bis es mit dem Kopf zum Führenden steht. Erst danach können Strick und gegebenenfalls Halfter gelöst werden. Verlassen Sie dann unverzüglich den Gefahrenbereich, außerhalb der Reichweite der Hinterhufe.
Falls gleichzeitig mehrere Personen Pferde auf die Weide bringen, müssen die Tiere auf gleicher Höhe und mit ausreichend Abstand beim Drehen stehen. Die Führenden lassen sie mit Absprache gleichzeitig los.
Persönliche Schutzausrüstung:
Im Umgang mit Pferden sind stets Sicherheitsschuhe zu tragen.
Mehr Tipps zum sicheren Loslassen von Pferden finden Sie in diesem Artikel:
Stallungen
- ausreichend breite Boxentüren, die sich sowohl von innen als auch von außen öffnen lassen
- ausreichend breite Stallgassen mit rutschhemmendem Bodenbelag und guter Beleuchtung
- die Möglichkeit zur Fütterung der Tiere von außen.
So verringern Sie das Unfallrisiko.
Reithallen
Als sicherheitstechnische Maßnahmen in Reithallen gelten unter anderem:
- eine ausreichende lichte Höhe
- eine geeignete Bande -ausreichend hoch, umlaufend vorhanden, Beinfreiheit für den Reiter -
- frei von Ständerwerken oder anderen scharfkantigen Bauteilen
- Hallen, die zum Laufenlassen und Freispringen genutzt werden, müssen über eine ausreichend hohe Umgrenzung verfügen und die Möglichkeit vorweisen, vorhandene Spiegel zu verdecken.
Immer mit der Ruhe
Regelmäßiges Verladetraining, eine ruhige Umgebung und Routinen zahlen sich aus.
Gute Vorbereitung
- Zur guten Vorbereitung zählen insbesondere das Verladetraining und die Gewöhnung des Pferdes an den Verladevorgang. Vermitteln Sie dem Tier Gelassenheit und vermeiden Sie beim Verladen Zeitdruck und Hektik.
- Beachten Sie äußere Einflüsse und beseitigen Sie schon im Vorfeld überflüssige Gegenstände beziehungsweise Gefahrenquellen rund um das Fahrzeuggespann.
- Vor dem Fahrtantritt ist eine Sichtprüfung des Gespannes beziehungsweise des Transporters verpflichtend.
- Die Verschlusshebel der geöffneten Heckklappe müssen von dieser verdeckt werden. Die Verladerampe sollte eben aufliegen und darf nicht wackeln.
So klappt das Verladen sicher
- Beim Verladen trägt der Führende Sicherheitsschuhe und Handschuhe.
- Das Pferd ist mit einem passenden, stabilen Halfter und Führstrick ausgestattet.
- Werden Transportgamaschen verwendet, sollte das Pferd an diese gewöhnt sein. Eine Hilfsperson steht für das Verladen bereit.
- Nachdem das Pferd auf den Anhänger geführt wurde, schließt die Hilfsperson zunächst die Heckstange, erst dann wird das Pferd angebunden und die Heckklappe verschlossen.
- Für den Transport wird das Pferd so kurz angebunden, dass es sich mit dem Kopf ausbalancieren, aber nicht mit dem Bein über den Strick geraten oder sich umdrehen kann. Vormontierte Anbinder erleichtern das zügige und sichere Befestigen in der richtigen Länge.
- Beim Ausladen wird das Pferd losgebunden, bevor die Hilfsperson die Heckstange öffnet. Die Person verbleibt seitlich neben der Klappe und kann bei Bedarf Hilfestellung geben.
- Agieren Sie beim Öffnen und Schließen der Heckklappe und –stangen immer von der Seite, niemand darf sich dabei direkt hinter dem Pferd aufhalten.
NEUERUNGEN FÜR PFERDEHALTER AB 1. APRIL 2021 AUF EINEN BLICK
gemäß Unfallverhütungsvorschrift VSG 4.1 Tierhaltung
■ Ausstattung von Reithallen:
▪ ausreichend lichte Höhe
▪ frei von Ständerwerken und scharfkantigen Bauteilen
▪ umlaufende Bande in ausreichender Höhe und Beinfreiheit für Reiter
▪ Möglichkeiten, vorhandene Spiegel zu verdecken
■ Tierbetreuer benötigen Kenntnisse zum sicheren Umgang mit Pferden.
■ Vor dem Loslassen ist das Pferd mit dem Kopf zum Führenden zu wenden und der Gefahrenbereich unverzüglich zu verlassen.
■ Regelmäßige Kontrolle der Persönlichen Schutzausrüstung
■ Hinweis auf die vorhandenen Leitlinien und Richtlinien für den Tierschutz im Pferdesport sowie für die verschiedenen Reit- und Fahrweisen.
Weitere Informationen finden Sie in unserer Übersicht "Häufig gestellte Fragen zur Unfallverhütungsvorschrift 4.1."
Für Arbeitgeber
- Gefährdungsbeurteilung Pferdehaltung DOCX, nicht barrierefrei, 28.1 KB
- Gefährdungsbeurteilung Pferde bewegen DOCX, nicht barrierefrei, 33.7 KB
- Gefährdungsbeurteilung Pferde in Gruppen halten DOCX, nicht barrierefrei, 38.9 KB
- Checkliste Pferdehaltung DOCX, nicht barrierefrei, 53.2 KB
- Checkliste Pferde verladen und transportieren DOCX, nicht barrierefrei, 64 KB
- Betriebsanweisung Führen von Pferden DOCX, nicht barrierefrei, 39.8 KB
- Betriebsanweisung Laufenlassen und Freispringen von Pferden DOCX, nicht barrierefrei, 35.2 KB
- Betriebsanweisung Pferdeführanlage DOCX, nicht barrierefrei, 39.6 KB
- Betriebsanweisung Pferdesolarium DOCX, nicht barrierefrei, 40.3 KB
Weitere Informationen
- B21 Broschüre Pferdehaltung PDF, nicht barrierefrei, 1.64 MB
- Artikel "Loslassen mit Verstand" aus LSV kompakt 2/2021 PDF, nicht barrierefrei, 2.06 MB
- Artikel "Raus ins Grüne" und "Aus dem Unfallgeschehen mit Pferden" aus LSV kompakt 2/2018 PDF, nicht barrierefrei, 729 KB
- Artikel "Pferde sehen die Welt mit anderen Augen" aus LSV kompakt 3/2016 PDF, nicht barrierefrei, 107 KB
- Artikel "Pferde sicher im Griff" aus LSV kompakt 2/2015 PDF, nicht barrierefrei, 85.8 KB
- Flyer - Informationen zur sicheren Gestaltung von Beschlagplätzen PDF, nicht barrierefrei, 2.25 MB