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Pflanzenschutzmittel Umweltbundesamt fordert sparsamen Einsatz von Glyphosat

Sind Pflanzenschutzmittel mit Glyphosat unbedenklich? Diese Frage will die EU klären. In einem Bewertungsverfahren haben die deutschen Behörden nun grünes Licht gegeben. Trotzdem warnt das Umweltbundesamt vor indirekten ökologischen Risiken.
Glyphosat-Behandlung: Kritiker fürchten drastische Folgen für die Tier- und Pflanzenvielfalt (Archivbild, 2010)

Glyphosat-Behandlung: Kritiker fürchten drastische Folgen für die Tier- und Pflanzenvielfalt (Archivbild, 2010)

Foto: Seth Perlman/ AP
Dieser Beitrag stammt aus dem SPIEGEL-Archiv. Warum ist das wichtig?

Kein Wirkstoff wird in Pflanzenschutzmitteln so stark eingesetzt wie das seit Jahren umstrittene Glyphosat. In Deutschland wurden im Jahr 2012 knapp 6000 Tonnen des Wirkstoffs verkauft, in etwa jeder vierten Tonne Pflanzenschutzmittel ist es enthalten. Verwendet wird es im Gartenbau und in Parks, vor allem aber in der Landwirtschaft. Nun hat das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR)  erklärt, das Unkrautvernichtungsmittel sei nicht giftiger als bisher angenommen.

Anlässlich eines Symposiums in Berlin teilte das Institut am Montag mit, die Auswertung von mehr als tausend neuen Studien habe "keine Hinweise auf eine krebserzeugende, reproduktionsschädigende oder fruchtschädigende Wirkung durch Glyphosat" ergeben. Bestimmte Pflanzenschutzmittel mit diesem Wirkstoff könnten aber giftiger sein als das Glyphosat an sich, warnte der Präsident des Instituts, Andreas Hensel. Dies werde bei der Zulassung glyphosathaltiger Pflanzenschutzmittel berücksichtigt, fügte er hinzu.

Im EU-weiten Zulassungsprozess für Glyphosat ist Deutschland als Berichterstatter für die Koordination zuständig. Das BfR wurde im Zuge der turnusmäßigen Neubewertung von Pflanzenschutzmittel-Wirkstoffen mit der erneuten Analyse der Gesundheits- und Umweltrisiken von Glyphosat beauftragt, das in der EU erstmals 2002 zugelassen wurde. Es untersuchte die gesundheitlichen Risiken für Anwender von Glyphosat, für unbeteiligte Dritte und Verbraucher. Das BfR leitete seinen Bericht an die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) weiter.

Verarmung der biologischen Vielfalt

Kritiker werfen den europäischen Behörden vor, die Bevölkerung nicht auf eine Glyphosat-Belastung hin zu untersuchen und Lebensmittel zu selten auf Rückstände zu testen. Zudem befürchten sie negative Auswirkungen auf das menschliche Hormonsystem, Fehlbildungen und ein erhöhtes Krebsrisiko sowie drastische Folgen für die Tier- und Pflanzenvielfalt.

Vor ökologischen Risiken warnt auch das Umweltbundesamt. "Problematisch ist aus unserer Sicht, wie massiv und umfangreich Glyphosat eingesetzt wird", sagte Klaus Günter Steinhäuser, Leiter des Fachbereichs Chemikaliensicherheit . Der Wirkstoff trage wesentlich zur Verarmung der biologischen Vielfalt in landwirtschaftlich geprägten Ökosystemen bei, indem er Vögeln wie der Feldlerche indirekt die Nahrungsgrundlage entziehe.

Natur erholt sich nicht von selbst

Nach Angaben des Umweltbundesamtes ließen sich bis zu 15 Prozent des Glyphosats allein in der Landwirtschaft einsparen, insgesamt sei eine Reduktion um tausend Tonnen pro Jahr möglich. In der Landwirtschaft wird der Wirkstoff eingesetzt, um Unkraut zu vernichten und auf Getreidefeldern den Reifeprozess zu beschleunigen. Es hemmt ein Enzym, welches für die Proteinsynthese in Pflanzen zuständig ist. Dabei greift es in einen Stoffwechselprozess von Pflanzen ein, den es bei Tieren nicht gibt.

Auch in privaten Gärten werden Pflanzenschutzmittel mit Glyphosat verwendet, allerdings in sehr viel kleinerem Umfang. Hier empfiehlt das Umweltbundesamt, auf Totalherbizide generell zu verzichten und unerwünschte Pflanzen grundsätzlich mechanisch zu entfernen. "Anwendungen zur Unkrautbekämpfung auf Wegen und Plätzen sind schon heute nicht gestattet", ergänzte Klaus Günter Steinhäuser.

Allerdings reiche es nicht aus, den Einsatz von Glyphosat nur zu begrenzen. "Die Natur erholt sich vom Glyphosat nicht von selbst, ganz wichtig sind dafür Ausgleichsflächen und Rückzugsgebiete", sagte Steinhäuser. Nur so lasse sich der Schaden, den solche Pflanzenschutzmittel in Ökosystemen indirekt anrichten, überhaupt reduzieren.

che/AFP