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Stickoxidbelastung Umweltbundesamt will Dieselautos aus Städten verbannen

Das Dienstwagenprivileg abschaffen, Steuervorteil bei Diesel verringern, ältere Dieselfahrzeuge in den Städten verbieten: Mit drastischen Forderungen will das Umweltbundesamt die Stickoxidbelastung eindämmen.
Stickoxidbelastung: Umweltbundesamt will alte Diesel aus Städten verbannen

Stickoxidbelastung: Umweltbundesamt will alte Diesel aus Städten verbannen

Foto: Peter Macdiarmid/ Getty Images
Dieser Beitrag stammt aus dem SPIEGEL-Archiv. Warum ist das wichtig?

Das Umweltbundesamt (UBA) fordert die baldige Verbannung älterer Dieselautos aus Deutschlands Innenstädten. Andernfalls werde sich die Luftqualität bis 2030 dort nicht wesentlich verbessern, sagte UBA-Chefin Maria Krautzberger. Um das Klima und auch die Gesundheit der Bürger besser zu schützen, brauche es in Deutschland grundsätzlich eine "verkehrspolitische Zäsur". Emissionsarme Transportmöglichkeiten müssten stärker gefördert und fossile Antriebsarten zurückgedrängt werden.

Im Jahr 2014 stellte das UBA laut Krautzberger an mehr als 60 Prozent aller innerstädtischen Messstellen Stickstoffdioxidbelastungen über dem zulässigen EU-Grenzwert fest. In vielen Fällen wurde dieser demnach sogar um mehr als das Doppelte überschritten. Ändere sich nichts am Umgang der Kommunen mit Dieselfahrzeugen und Benzinern, werde die gesundheitsschädliche Luftbelastung erst in zehn bis 15 Jahren spürbar sinken. Krautzberger forderte die Einführung einer neuen Plakette für Umweltzonen, die nur noch Diesel-Pkw ab Schadstoffklasse Euro 6 zulässt.

Krautzberger wiederholte auch die UBA-Empfehlung, den derzeit um 18,4 Cent pro Liter geringeren Steuersatz für Diesel dem für Benzin anzupassen. Denn dadurch gingen dem Staat nicht nur jährlich sieben Milliarden Euro Einnahmen verloren, sondern es werde ausgerechnet eine besonders schadstoffhaltige Antriebsart öffentlich gefördert. Diesel- und andere Verbrennungsmotoren könnten in den Städten generell "langfristig keine Lösung" sein, sagte die UBA-Präsidentin. Deutschland müsse die Energiewende daher gerade auch im Verkehr entschlossener umsetzen.

Tempo 30 in den Städten

Krautzberger sprach sich dafür aus, in den Innenstädten ein generelles Tempolimit von 30 Stundenkilometern einzuführen. Die Fahrzeugflotte müsse deutlich energischer von Diesel auf E-Fahrzeuge umgestellt werden, wobei die flächendeckende Um- und Nachrüstung von Fahrzeugen des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) ein wichtiger erster Schritt sein könne. Hierfür empfahl das UBA ein Bonus-Malus-System, das Sonderabgaben und höhere Steuern für dreckige Antriebe direkt in Subventionen für umwelt- und gesundheitsschonende Alternativen umleitet.

Schädliche Subventionen hingegen, wie etwa das steuerliche Dienstwagenprivileg, gehören aus Sicht der UBA abgeschafft. Dass Arbeitgeber einen Teil des Lohns als geldwerten Vorteil in Form eines Autos auszahlten, setze Anreize, das Klima weiter zu verschlechtern. Auch müssten die durch emissionsträchtige Antriebe verursachten Gesundheitskosten, wie etwa durch Asthma oder andere Atemwegserkrankungen, den Verursachern und nicht der Allgemeinheit aufgebürdet werden. Hierzu wäre laut UBA eine Ausweitung von Maut-Modellen denkbar.

Keine Verbesserung bei der Umweltbilanz von Autos

Grundsätzlich müsse die Verkehrspolitik vor allem in den Städten neu ausgerichtet werden, forderte Krautzberger: "Wir brauchen eine Stadt, in der wir das Auto nicht mehr brauchen." Die Umweltverbundförderung, die auf die systematische Verknüpfung von Fußwegen, Fahrrad und ÖPNV setzt, müsse weiter forciert werden. Auch Modelle wie Car-Sharing müssten hierbei eine noch bedeutendere Rolle spielen.

Im Bezug auf den VW-Abgasskandal sagte Krautzberger, das UBA habe seit Jahren darauf hingewiesen, dass die gemessenen Emissionswerte keine Verbesserung bei der Umweltbilanz des Autoverkehrs erkennen ließen. Im Verkehrsministerium sei die Behörde mit derartigen Hinweisen jedoch regelmäßig nicht ernst genommen worden. Sie forderte daher, unabhängige Abgastests auf der Straße zum Gesetz zu machen.

Vor dem Hintergrund der durch die Bank deutlich höheren Realemissionen, die durch die VW-Affäre in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt sind, wirkt zumindest ein Teil der Forderungen von Krautzberger fraglich. Da auch Fahrzeuge, die der Euro-6-Norm-entsprechen, teilweise zehnmal mehr Stickoxide und mehr ausstoßen als angegeben, dürfte eine Verbannung von älteren Dieselfahrzeugen allein das Problem nicht lösen.

mhe/dpa