Strahlenschutz in kerntechnischen Anlagen
1. Aufgaben des Referats 410
Das Referat 410 „Strahlenschutz in kerntechnischen Anlagen, Zwischenlager Nord (ZLN), Rückbau, Entsorgung“ des Ministeriums für Klimaschutz, Landwirtschaft, ländliche Räume und Umwelt ist die zuständige Genehmigungs- und Aufsichtsbehörde in Bezug auf die Stilllegung und den Abbau des Kernkraftwerks Greifswald (KGR) sowie für den Betrieb des Abfalllagers (AL) am Standort Lubmin. Zudem führt es die Aufsicht über den Betrieb des Transportbehälterlagers (TBL) in Lubmin.
Den allgemeinen Schwerpunkt der Tätigkeiten bildet die Erteilung von Änderungs- und Abbaugenehmigungen für die Anlagenteile und Gebäude des KGR, die Aufsicht über deren Umsetzung, Aufsicht über die Entsorgung von radioaktiven Reststoffen durch Freigabe- und Herausgabeverfahren sowie die Aufsicht über die Konditionierung radioaktiver Abfälle zur Zwischen- und Endlagerung. Weitere Aufgabengebiete betreffen den Strahlenschutz, den Umgang mit radioaktiven Quellen sowie die Bearbeitung, die Lagerung und den Transport von radioaktiven Reststoffen und Abfällen am Standort Lubmin/Greifswald.
Auch Überprüfungen von personengebundenen genehmigungsrelevanten Voraussetzungen wie Zuverlässigkeit und Erwerb bzw. Erhalt der erforderlichen Fachkunde des verantwortlichen Betreiberpersonals oder die Kontrolle der erforderlichen personendosimetrischen Überwachung beim Rückbaubetrieb zählen zu den Aufgaben des Referats.
Neben der Sicherheit vor den überwiegend radiologischen Gefahren kerntechnischer Anlagen spielt auch die Anlagen-Sicherung (Schutz gegen Störmaßnahmen oder sonstige Einwirkungen Dritter) und in diesem Zusammenhang gleichfalls die Aufsicht über spezielle Anlagentechnik eine übergeordnete Rolle in der Referatsarbeit.
2. Das Kernkraftwerk Greifswald
In Mecklenburg-Vorpommern befindet sich das größte kerntechnische Rückbauprojekt Deutschlands am Standort Lubmin/Greifswald. Der Standort gliedert sich in verschiedene kerntechnische Anlagen.
Vier Reaktorblöcke des Typs WWER-440/230 wurden von 1969 bis 1979 erbaut und nacheinander in Betrieb genommen. Ab Mitte der 1970er Jahre sollte das Leistungsniveau mittels vier weiterer Blöcke des verbesserten Reaktortyps WWER-440/213 gesteigert werden. Zum Zeitpunkt der Wiedervereinigung Deutschlands befanden sich die Blöcke 1 bis 4 im Leistungsbetrieb und der Block 5 im Probebetrieb. Block 6 wurde 1990 fertiggestellt aber auf Grund des erheblichen technischen Nachrüstbedarfs der Anlagen und der daraus folgenden Stilllegung des KGR 1990, wurde Block 6 nicht mehr mit Brennelementen beladen. Somit ist Block 6 ein originalgetreuer für die Zivilbevölkerung zugänglicher atomarer Reaktor. Block 7 und 8 wurden nie fertiggestellt.
Der letzte im Betrieb befindliche Block ist 1990 abgeschaltet worden. Das KGR befindet sich seit 1995 in Stilllegung und die verbliebenen Kernbrennstoffe wurden aus der Anlage entfernt und in das angrenzende Zwischenlager Nord (ZLN) transportiert.
Betreiberin und somit verantwortlich für das Rückbauprojekt ist die EWN Entsorgungswerk für Nuklearanlagen GmbH. Gesellschafterin des Unternehmens ist die Bundesrepublik Deutschland vertreten durch das Bundesministerium der Finanzen.
Für die Realisierung des Rückbauprojektes war es für die Zwischenlagerung radioaktiver Abfälle erforderlich, das Zwischenlager Nord (ZLN) zu errichten. Das ZLN besteht aus dem Abfalllager (AL) für schwach- und mittelradioaktive Abfälle und dem Transportbehälterlager (TBL) für CASTORen.
Notwendig war und ist weiterhin die Umrüstung der Zentralen aktiven Werkstatt (ZAW) zu einem Konditionierungsstützpunkt. Eine Zentrale Dekontaminations- und Wasseraufbereitungsanlage (ZDW) wurde bereits als Anbau zur ZAW realisiert. Um das Ziel der Entsorgung der beim Rückbau anfallenden schwach- und mittelradioaktiven Abfälle in ein Endlager realisieren zu können, wird derzeit eine Zerlegehalle (ZLH) ebenfalls als Anbau zur ZAW am Standort errichtet. In der ZLH sollen vor allem die Großkomponenten aus dem AL des ZLN zerlegt und endlagergerecht konditioniert werden. Ein entsprechendes Endlager für schwach- und mittelradioaktive Abfälle soll mit dem Endlager Konrad voraussichtlich 2027 in Betrieb gehen.
Wenngleich im Kontrollbereich der Reaktorblöcke die Anlagendemontage weit fortgeschritten ist, wird der Rückbau der kerntechnischen Anlage KGR noch längere Zeit in Anspruch nehmen, da nach der Anlagendemontage noch die Dekontamination und Freimessung einer Vielzahl von Gebäuden erforderlich ist. Die Entsorgung der dabei bisher und weiter anfallenden radioaktiven Materialien wird sich über einige Jahrzehnte hinziehen. Zur Realisierung dieses Prozesses ist am Standort die Errichtung eines Betonbearbeitungszentrums vorgesehen.
Für die Entsorgung der Kernbrennstoffe aus dem TBL erfolgt derzeit bundesweit die Suche eines geeigneten Standortes für ein Endlager für hochradioaktive Abfälle gemäß Standortauswahlgesetz. Für die am Standort Lubmin vorhandenen 74 CASTOR-Behälter hat die Betreiberin den Neubau eines Ersatztransportbehälterlagers (ESTRAL) in unmittelbarer Nähe zum jetzigen TBL im ZLN beim zuständigen Bundesamt für Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) beantragt.
Generell unterliegen alle Kernkraftwerke und andere kerntechnische Anlagen schon mit Beginn ihrer Errichtung, während des Betriebs und für den gesamten Zeitraum des Rückbaus einer kontinuierlichen staatlichen Aufsicht. Diese erfolgt in Deutschland auf Grundlage der Bestimmungen des Atom- und des Strahlenschutzgesetzes sowie des zugehörigen neben- und untergeordneten Regelwerks unter Beachtung verbindlicher internationaler Regelungen.
3. Radiologische Überwachung
Die Umgebung kerntechnischer Anlagen ist sowohl vom Betreiber als auch von behördlicher Seite radiologisch zu überwachen. Die (behördlichen) Messungen und die Kontrolle der Eigenüberwachung des Betreibers werden vom Landesamt für Umwelt, Naturschutz und Geologie (LUNG) durchgeführt. Das Referat 410 hat insoweit die Fachaufsicht über das LUNG. Für das ZLN ist das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) als unabhängige Messstelle tätig.
Im Rahmen der Bundesauftragsverwaltung ist das Referat ebenfalls in die kontinuierliche bundesweite Überwachung der Umweltradioaktivität und das existierende System zum Notfallmanagement bei radiologischen Notfällen eingebunden. Im Integrierten Mess- und Informationssystem (IMIS) des Bundes nimmt das LUNG die Messaufgaben des Landes war.
4. Landessammelstelle
Darüber hinaus ist das Referat 410 auch für die Landessammelstelle für radioaktive Abfälle des Landes Mecklenburg-Vorpommern zuständig, die durch das Land Brandenburg mitgenutzt wird. Die Landessammelstelle dient der Zwischenlagerung und Konditionierung von radioaktiven Abfällen, die nicht aus kerntechnischen Anlagen (Industrie, Forschung, Medizin) stammen. Diese werden später einem Endlager für schwach und mittelradioaktive Abfälle (Konrad) zugeführt.
5. Landesanstalt für Personendosimetrie und Strahlenschutzausbildung
Das Referat 410 übt zusätzlich die Fachaufsicht über die Landesanstalt für Personendosimetrie und Strahlenschutzausbildung mit Sitz in Berlin aus.
6. Gremienarbeit
Die Beschäftigten des Referates vertreten Mecklenburg-Vorpommern im Länderausschuss für Atomkernenergie (Hauptausschuss) und dessen Untergliederungen.
Kontakt
Referat 410