Aufgrund unserer Arbeiten im EIP-Projekt 'Mehrweg Baden-Württemberg' und zahlreicher Initiativen am Markt ist davon auszugehen, dass die Mehrwegquote für 0,75-Liter-Weinflaschen künftig steigen wird und bereits in wenigen Jahren im zweistelligen Prozentbereich liegen könnte.
Oekolandbau.de: Das Projekt "EIP-AGRI Wein-Mehrweg" hat zum Ziel, ein Mehrwegsystem für 0,75-Liter-Weinflaschen zu etablieren. Warum das Festhalten an der 0,75-Liter-Flasche, wenn es doch bereits seit vielen Jahren ein erfolgreiches Pfandsystem für die 0,5-Liter-Flasche gibt?
Prof. Dr. Dominik Durner: Dass Wein weltweit vor allem in 0,75-Liter-Flaschen gefüllt und getrunken wird, hat zahlreiche Hintergründe, die man nicht einfach übergehen darf. Dieser Flaschentyp gewinnt auch heute noch – insbesondere wegen des zunehmenden globalen Weinhandels – an Beliebtheit und verdrängt andere Weinflaschengrößen vom Markt. Im Unterschied zu 0,5-Liter-Bier- oder 0,7-Liter-Wasserflaschen weist die Weinflasche zudem einige versteckte Merkmale auf, die für den Schutz des Weines und den Konsum wichtig sind. Als Beispiel ist der BVS-Verschluss zu nennen, eine Verschlussspezifikation, die für Wein nachweislich besser funktioniert als das, was man aus dem Bier- oder Wasserbereich kennt.
Oekolandbau.de: Welche weiteren Vorteile bietet ein Mehrwegsystem speziell bei Weinflaschen?
Prof. Dr. Dominik Durner: Glasverpackungen erfordern grundsätzlich in ihrer Herstellung einen sehr hohen Energieaufwand, der den hohen Schmelztemperaturen geschuldet ist. Und viel Energie bedeutet Treibhausgase. Mit Mehrweg, sprich mehreren Umläufen jedes einzelnen Behälters, würde der Bedarf für Neuglas sinken. Damit trägt Mehrweg unmittelbar zur CO2-Reduktion und zum Klimaschutz bei. Alternativen zu Glas könnten ebenfalls zur CO2-Reduktion und zum Klimaschutz beitragen. Gleichwohl ist Glas der perfekte Packstoff für flüssige Lebensmittel, denn Glas schützt perfekt vor äußeren Einflüssen und ist für Lebensmittelproduzentinnen und -produzenten sowie für die Kundschaft einfach und nachvollziehbar im Handling. Glas führt auch nicht zu den Problemen, die mit Kunststoffen einhergehen. Stichworte: Mikroplastik, Kunststoff-Verschmutzung der Ozeane, hoher Bedarf an nicht-nachwachsenden Rohstoffe in der Kunststoffproduktion etc.
Oekolandbau.de: Die Kundschaft zu überzeugen ist das eine. Aber wie offen steht die Praxis dem Mehrwegsystem für die Weinflasche gegenüber?
Prof. Dr. Dominik Durner: Die Wein erzeugende Praxis hat in Deutschland noch keine einhellige Meinung dazu. Zahlreiche Betriebe sehen Mehrweg, andere Glasalternativen und wieder andere sehen andere Nachhaltigkeitsthemen als vordergründig an. Die unterschiedlichen Ansichten sind weitgehend darauf zurückzuführen, dass unterschiedliche Weingüter unterschiedliche Absatzkanäle bedienen. Je nachdem, ob mehr direkt verkauft, an Restaurants geliefert oder über den Discounter verkauft wird, können sich die Betriebe Mehrweg mehr oder weniger gut vorstellen. Ähnlich ist es beim Weinhandel. Es gibt Wein- und Lebensmittelhändlerinnen und -händler, die Mehrweg als unumstößlich sehen, andere halten sich noch vornehm zurück.