Alternativen zum Diesel: Erneuerbare Kraftstoffe für die Landwirtschaft

Alternativen zum Diesel: Erneuerbare Kraftstoffe für die Landwirtschaft

Noch immer ist Diesel Kraftstoff Nummer eins in land- und forstwirtschaftlichen Maschinen. Um den Klimaschutz voranzutreiben und die vereinbarten Klimaziele zu erreichen, ist der Umstieg auf alternative Kraftstoffe in der Landwirtschaft unausweichlich. Doch wo steht die Branche aktuell beim Thema Kraftstoffe und wie praxistauglich sind die Alternativen wirklich?

Zum Jahreswechsel demonstrierten Landwirtinnen und Landwirte bundesweit gegen die Streichung der Agrardieselbeihilfe. Ein Argument der Bundesregierung für deren Abschaffung war, sie sei eine klimaschädliche Subvention. Auch die Landwirtschaft müsse Alternativen einsetzen und ihren CO2-Fußabdruck reduzieren. Anders als der Elektroantrieb für Autos sind alternative Kraftstoffe für Traktoren aktuell nicht verfügbar. Im Jahr 2040, also bereits in 17 Jahren, soll gemäß dem bayerischen Klimaschutzgesetz in keinem Traktor mehr fossiler Dieselkraftstoff zum Einsatz kommen. Und mit Blick auf das europaweit beschlossene Verbrenner-Aus im Jahr 2030 betont Dr. Udo Scheff, Direktor Mid and Utility Tractor Engineering bei John Deere, die Dringlichkeit Alternativen zu entwickeln: "Das Jahr 2030 ist gewissermaßen morgen. Wenn wir bis dahin unsere CO2-Emmissionsreduktionsziele 'Fit for 55' auch bei Landmaschinen erreichen wollen, sind Biokraftstoffe alternativlos."

Aber welche Alternativen aber gibt es? Und wie können landwirtschaftliche Betriebe reagieren? Auf der von Naturland organisierten Wissenstransfer-Veranstaltung "Alternativen zum Diesel" Mitte April 2024 kamen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, Traktorherstellerinnen und Traktorhersteller sowie Praktikerinnen und Praktiker zusammen, um sich über den aktuellen Entwicklungsstand auszutauschen.

Welche Alternativen in der Pipeline sind

Einen einleitenden Überblick gab Rita Haas vom Technologie- und Förderzentrum im Kompetenzzentrum für Nachwachsende Rohstoffe (TFZ) in Straubing. Das TFZ befasst sich seit vielen Jahren mit der Bewertung von Energieträgern und Antriebssystemen für Fahrzeuge und mobile Maschinen. Es unterstützt staatliche Betriebe in Bayern bei der Umstellung auf klimafreundliche Antriebe und testet den von John Deere entwickelten Pflanzenölschlepper im Projekt "ResiTrac - Resilient Food Production with Green Tractors".

Die Landwirtschaft in Deutschland, so Haas, hat derzeit einen jährlichen Kraftstoffbedarf von rund zwei Milliarden Liter. Das entspricht circa 5 Prozent des benötigten Dieselkraftstoffs in Deutschland. Mit Blick auf die auch für die Landwirtschaft geltenden Treibhausgas (THG)-Reduktionsziele entspricht dies rund 5,1 Mio Tonnen THG-Emissionen. Unterstellt man eine autonome Versorgung mit Pflanzenöl allein von landwirtschaftlichen Flächen, bräuchte man etwa 1,2 Millionen Hektar Rapsanbaufläche und damit zehn Prozent der gesamten Ackerfläche von 11,7 Mio. Hektar. Außer Pflanzenöl fielen Zweidrittel der Rapsernte als eiweißreicher Presskuchen, beispielsweise für die Tierfütterung an.

Als weitere Energieträger neben Pflanzenöl kommen Biodiesel, Biomethan und HVO (Hydrotreated Vegetable Oil)-Diesel in Betracht. Genannt werden sollen hier auch alternative Antriebssysteme wie die Brennstoffzelle (Wasserstoff) oder der Einsatz von Elektromotoren.

Ähnlich wie beim Güterfernverkehr ist ein Umstieg auf Elektroantrieb bei Traktoren allenfalls im unteren Leistungsbereich denkbar. In Bayern, so Haas, gibt es seit Ende der 1980er-Jahre mehrere Demonstrations- und Forschungsvorhaben im Bereich alternative Antriebe. Hintergrund ist das bayerische Ziel rund 400 landwirtschaftliche Fahrzeugen ohne fossile Kraftstoffe bis 2028 auf den bayerischen Staatsgütern zu etablieren. Aktuell kommen über 20 Traktoren und ein Harvester, die mit Pflanzenöl betankt werden, zum Einsatz. Vier Traktoren fahren mit Biodiesel. Über 100 Maschinen und Fahrzeuge laufen mit HVO, sechs Maschinen mit elektrischem Strom.

Die Umstellung auf alternative Kraftstoffe hätte durchaus schon früher passieren können. Ökonomisch, so hat es das TFZ ermittelt, wäre der Einsatz von Pflanzenölkraftstoff und Biodiesel im Schnitt für die Zeit von 2007 bis Ende 2021 nur 2 beziehungsweise 1 Cent teurer gewesen als für Dieselkraftstoff.

Kraftstoffmix in den Jahren 2030 bis 2045

Das Kuratorium für Technik und Bauwesen in der Landwirtschaft (KTBL) hat 2023 eine Veröffentlichung zur "Verwendung erneuerbarer Antriebsenergien in landwirtschaftlichen Maschinen" herausgegeben. Darin werden für die Zeit zwischen 2030 und 2045 unterschiedliche Antriebsoptionen – immer ohne fossilen Diesel – prognostiziert. Das Szenario ist dabei unterteilt in drei Bereiche: Im hofnahen Bereich und bei leichten Arbeiten (unter 80 Kilowatt) werden 2030 sowohl Strom als auch Pflanzenöl, Biodiesel und HVO-Diesel zur Verfügung stehen. Gegen Ende des Zeitfensters im Jahr 2045 wird vor allem der elektrische Antrieb in diesem Arbeitssegment die "bevorzugte Option" sein. Die "bevorzugte Option" beschreiben die Autoren mit folgenden Begriffen: 

  • verfügbar,
  • geeignet für die jeweiligen Arbeiten,
  • kostengünstig,
  • ressourceneffizient
  • und die Möglichkeit einer regionalen Bereitstellung der Energieträger.

Unter mittelschweren Arbeiten im Leistungssegment 40 bis 200 Kilowatt werden Pflege, Düngung, Graswerbung und leichte Bodenbearbeitung zusammengefasst. Verfügbar und umsetzbar sei hier im Jahr 2030 neben Biodiesel nur HVO-Diesel. Sowohl Pflanzenölkraftstoff als auch Strom seien nur unter optimistischen Annahmen von Bedeutung. Alle vier Energieträger seien aber zum Ende der Periode umsetzbar und verfügbar. Pflanzenöl und Biodiesel sogar die "bevorzugte Option".

Das dritte Segment, über 150 Kilowatt, umfasst schwere Arbeiten wie zum Beispiel schwere Bodenbearbeitung, Mähdrusch und Häckseln. In diesem Bereich werden elektrische Antriebe keine Rolle spielen, so die Autoren. Biodiesel und HVO-Diesel sind die von Beginn an verfügbaren und geeigneten Alternativen zum fossilen Diesel. Gegen Ende des Betrachtungszeitraums werden Biodiesel und Pflanzenöl die "bevorzugte Option" sein.

Aus der Praxis und von seinen Erfahrungen als Geschäftsführer der Wetterauer Agrarservice GmbH (WAS) berichtete Georg Dierschke. Die WAS erntet, handelt und transportiert neben Getreide und Raps, Holzpellets, Dünger und Zuckerrüben auch große Mengen Biodiesel. Unter anderem kommt dies auch in der eigenen Fahrzeugflotte zum Einsatz. In seinem Vortrag ging Dierschke zudem auf die aktuellen technischen Herausforderungen bei der Umstellung auf alternative Kraftstoffe ein. So führe der gegenüber Diesel höhere Flammpunkt von über 100 Grad bei Biodiesel und Pflanzenölkraftstoff zu einer Motorölverdünnung und verkürzten Wechselintervallen. Auch müsse von den Herstellern eine Freigabe erfolgen. Bei einer Umstellung auf Biodiesel kann es zu Ablösungen von Ablagerungen im Kraftstoffsystem kommen, weswegen anfänglich ein zusätzlicher Wechsel des Kraftstofffilters sinnvoll sei. Im Vergleich zum fossilen Diesel sei aktuell vor allem die Verfügbarkeit von Biodiesel und HVO gegeben. Gegenüber Diesel kämen diese zu einer CO2-Einsparung von circa 70 bis 80 Prozent.

Mit (Methan-)Gas auf den Acker

Mit seinem Methangasschlepper setzt New Holland auf eine ganz anderes Kraftstoffkonzept. Als internationales Unternehmen setze man auch auf Biogas, so Klaus Senghaas, Manager Alternative Fuels bei New Holland. So sei dies zum Beispiel im Zentrum Südamerikas, weit entfernt von der Küste, deutlich leichter verfügbar als beispielsweise Diesel. Entscheidend hierfür sei auch der technische Fortschritt bei der Aufbereitung von Biogas, für die es inzwischen Containerlösungen gebe.

Vorteile bringt Methan als Kraftstoff insbesondere im Abgasmanagement. So können laut Senghaas die Grenzwerte der Abgasstufe V deutlich unterschritten werden. Bei Kohlenmonoxid (CO) sogar um 90 Prozent. Die im Diesel entstehenden Rußpartikel fallen gar nicht erst an und auch Stickoxide sind um 70 Prozent reduziert. Die Herausforderung, so Senghaas, bestehe im Bereich des Tanks. Während Dieseltanks aus Kunststoff in nahezu jede Form gepresst und so optimal an freie Räume angepasst werden könnten, seien für Methan Gasflaschen aus Stahl notwendig. Zum Vergleich: Während das Modell T7 in der Dieselvariante 395 Liter Diesel fasst, kann die Methanversion 695 Liter oder 120 Kilogramm Methan tanken, was nur etwa 156 Litern Diesel entspricht. Um dieses Manko auszugleichen hat New Holland einen zusätzlichen Fronttank mit 600 Litern Volumen entwickelt. Insgesamt käme der Schlepper dann umgerechnet auf 291 Liter Diesel. Die Fahrzeit liegt – in Abhängigkeit von der Leistung – zwischen 15 Stunden bei leichten Arbeiten und sechs Stunden bei schweren Arbeiten.

Konkrete Zukunftsaussichten

Um die Jahrtausendwende gab es viele Betriebe, die ihre Traktoren für den Einsatz von Pflanzenölen umrüsteten. Die gestiegenen Dieselpreise ließen den Einsatz von Pflanzenöl wirtschaftlich werden. Daneben war der Kraftstoff klimaneutral und konnte von den Betrieben selbst erzeugt werden. Mit der Einführung des Biokraftstoffquotengesetz Anfang 2007 wurden dann auch die Pflanzenöle besteuert und der wirtschaftliche Vorteil ging verloren.

Für viele Betriebe wäre aber auch heute der Weg zu einer autarken Energieversorgung ihrer Arbeitsmaschinen ein großer Anreiz. Werden die Ölpflanzen im Gemenge angebaut, bestehe keine Nahrungskonkurrenz. Und auch der Einsatz für eine klimaneutrale Landwirtschaft stößt in der Bevölkerung auf große Akzeptanz, ist sich der Naturlandvorsitzende in Hessen, Dr. Konstantin Becker, sicher. „Wenn wir es mit der Klimaneutralität ernst meinen, dann müssen wir jetzt starten. Die steuerliche Entlastung von Pflanzenölen wäre ein guter erster Schritt die Innovation auf den Höfen zu unterstützen, nachhaltige Kraftstoffe zu fördern und die Treibhausgas-Emissionen der Landwirtschaft zu senken.“

Alternative Kraftsoffe im Überblick

Diese Veranstaltung ist Teil der Wissenstransfer-Veranstaltungsreihe. Sie ist eine Maßnahme des Bundesprogramms Ökologischer Landbau (BÖL), initiiert und finanziert durch das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL). Als Auftragnehmer organisieren Biokreis, Bioland, ECOVIN, FiBL, Forschungsring, Gäa, Naturland und der BÖLW die Veranstaltungen.

Alle Veranstaltungen im Bundesgebiet finden sich hier auf der oekolandbau.de-Webseite unter dem Reiter Forschung > Veranstaltungen.



Letzte Aktualisierung 18.06.2024

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