Personenbezogene Tätigkeiten
Interaktionen mit Kundinnen und Kunden, Patientinnen und Patienten, Klientinnen und Klienten, Bürgerinnen und Bürgern oder Lernenden gehören für neun Millionen Beschäftigte zu ihrer täglichen Arbeit. Diese sozialen Interaktionen sind Bestandteil vieler Tätigkeiten und Berufsbilder. Zudem finden sie nicht nur mit betriebsexternen Personengruppen, sondern auch intern zwischen Kolleginnen und Kollegen und ihren Vorgesetzten statt. Die Forschung im Themenfeld Interaktionsarbeit unterstreicht, dass die Arbeit an und mit Menschen mit besonderen Anforderungen einhergeht. Überdies wirken sich Entwicklungen im Rahmen der fortschreitenden Digitalisierung auf die Interaktionsarbeit aus.
Ob und wie arbeitsbezogene soziale Interaktionen thematisiert werden, unterscheidet sich zum Teil sehr stark zwischen wissenschaftlichen Disziplinen, Ländern und Berufsgruppen. Zudem verändert sich die Arbeit an und mit Menschen durch den gesellschaftlichen und technologischen Wandel fortlaufend. Dennoch gibt es Gemeinsamkeiten zwischen den verschiedenen Tätigkeiten, bei denen Interaktionsarbeit stattfindet.
Die BAuA erforscht seit 2019 die Spezifika der Arbeit an und mit Menschen und die daraus resultierenden Anforderungen an die Arbeitsgestaltung und die Gefährdungsbeurteilung. Ergebnisse der Forschung werden in der aktuellen baua: Aktuell 2/24 vorgestellt.
Merkmale von Interaktionsarbeit
Zu diesen gemeinsamen, definierenden Merkmalen von Interaktionsarbeit zählen nach derzeitigem Erkenntnisstand:
- Die Interaktion von mindestens zwei Personen während der Ausführung eines Arbeitsauftrags, von denen mindestens eine im Rahmen ihrer professionellen, d. h. berufsbezogenen Tätigkeit agiert, während die andere den Arbeitsgegenstand bzw. das Gegenüber repräsentiert. Dazu zählen direkte sowie technisch-vermittelte oder -unterstützte Interaktionen sowie zu einem Zeitpunkt oder zeitlich versetzt ablaufende Interaktionen.
- Eine Einflussnahme auf physische oder psychische Zustände und/oder Prozesse (z. B. Wahrnehmungen, Einstellungen, Intentionen, Gefühle) im Zuge der Ausübung einer personenbezogenen Tätigkeit. Um diese Einflussnahme zu erreichen, entwickeln Beschäftigte bei der Interaktionsarbeit ein mentales Modell der jeweiligen Situation ihres Gegenübers (was sind die Bedürfnisse, Wünsche, Ziele, Erwartungen etc.).
Interaktionsarbeit lässt sich damit als ein Prozess verstehen, in dem Menschen einander wechselseitig wahrnehmen und interagieren, um bestimmte Ziele zu erreichen. Der Fokus liegt hier auf der beschäftigten Person und ihren bestimmten Arbeitstätigkeiten: Tätigkeiten, bei denen an und mit Menschen – also interaktiv – gearbeitet wird.
Diese Tätigkeiten stellen hohe Anforderungen an die Beschäftigten. Interaktionsarbeit muss daher gut, d. h. menschengerecht gestaltet sein und bedarf spezifischer Kompetenzen und einer entsprechenden Qualifizierung.
Menschengerechte Interaktionsarbeit
Interaktionsarbeit ist Arbeit mit Menschen: Menschen haben eigene Interessen, Meinungen, Gefühle, Erwartungen und Anliegen. Sie handeln und agieren aktiv und selbstbestimmt. Ihr Erleben und Verhalten muss anders als bei der Arbeit mit Objekten, wie beispielsweise der Bedienung einer Maschine, berücksichtigt werden.
Interaktionsarbeit ist Zusammenarbeit: Sie erfordert ein zweckgerichtetes Zusammenwirken, eine Ko-Operation der an der Interaktion Beteiligten. Daraus ergibt sich je nach konkreter Situation und Kontext eine unterschiedlich stark ausgeprägte gegenseitige Abhängigkeit. Qualität und Erfolg der Interaktion liegen damit nicht allein in der Hand des Beschäftigten.
Interaktionsarbeit ist daher eine besondere Form von Erwerbsarbeit. Es ergeben sich spezifische Anforderungen für das Arbeitshandeln der Beschäftigten sowie für die Gestaltung der Arbeitsbedingungen. Im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung müssen die spezifischen Anforderungen der Interaktionsarbeit berücksichtigt werden.