Bedeutung, Erkenntnisse und Perspektiven
Gemeinsame Veranstaltung mit der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, dem Deutschen Gewerkschaftsbund und dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales am 5. Mai 2017 in Berlin
In der Veranstaltung "Psychische Gesundheit in der Arbeitswelt" am 5. Mai 2017 in Berlin befassten sich knapp 300 Vertreterinnen und Vertreter von Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften sowie aus Politik und Wissenschaft mit den Ergebnissen des Projektes "Psychische Gesundheit in der Arbeitswelt". Die Veranstaltung war gleichzeitig der Auftakt für den gleichnamigen Dialogprozess, in dem das Bundesministerium für Arbeit und Soziales gemeinsam mit den Sozialpartnern, Vertretern der Nationalen Arbeitsschutzkonferenz sowie der BAuA Maßnahmen für den Erhalt und die Stärkung der psychischen Gesundheit von Beschäftigten verabredet.
In seiner Begrüßungsrede unterstrich Alexander Gunkel, BDA das ureigene Interesse der Arbeitgeber an der psychischen Gesundheit ihrer Beschäftigten. In dem vereinbarten Dialogprozess gehe es darum, gemeinsam Wege zu finden, psychische Fehlbelastungen möglichst zu vermeiden und hierzu konkrete Umsetzungsschritte zu vereinbaren. Der Bericht der BAuA zeige, dass insbesondere das Gestaltungswissen auf der betrieblichen Ebene gefördert werden muss, da in einer sich zunehmend schnell ändernden Arbeitswelt die betrieblichen Akteure in der Lage sein müssen, die Gestaltung der Arbeitsbedingungen immer wieder betriebsspezifisch anzupassen.
Im Anschluss an Alexander Gunkel begrüßte auch Annelie Buntenbach vom DGB die Gäste. Dabei betonte sie, dass die in der digitalen Arbeitswelt in allen Branchen zunehmende Arbeitsintensität die psychische Gesundheit der Beschäftigten gefährde. Nachhaltige Verbesserungen ließen sich nur durch ein höheres Maß an Verbindlichkeit erreichen, weshalb die Gewerkschaftsseite nach wie vor eine Anti-Stress-Verordnung als notwendig erachte. Der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften wollen den Prozess zur Förderung der psychischen Gesundheit in der Arbeitswelt weiter gemeinsam vorantreiben und sich konstruktiv am Dialogprozess "Psychische Gesundheit in der Arbeitswelt" beteiligen.
In Ihrer Rede betonte Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles die Relevanz des Themas psychische Gesundheit und die daraus resultierenden Herausforderungen für den Arbeitsschutz. Den im Rahmen der Veranstaltung erstmals vorgestellten Abschlussbericht der BAuA bezeichnete sie als eine sehr gute Grundlage für den folgenden Dialogprozess. So zeige die Studie, dass es kein Patentrezept für den Schutz und die Förderung der psychischen Gesundheit von Beschäftigten gibt und ein Arbeitsschutz 4.0 benötigt wird, der neue Risiken, wie sie etwa durch die Digitalisierung entstehen, aufgreift und einbezieht. Für viele Risiken existiere bereits ein guter Rechtsrahmen, der aber konsequenter umgesetzt werden müsse, um passgenaue Prävention in den Betrieben zu ermöglichen. Hierzu werde in den nächsten Monaten mit den Sozialpartnern intensiv beraten, wie der bestehende Rechtsrahmen besser genutzt werden kann und wo es neuer Antworten durch die Digitalisierung bedarf. Dazu werden bis Ende 2018 evaluier- und messbare Ziele vereinbart.
Isabel Rothe, Präsidentin der BAuA, stellte den Bericht "Psychische Gesundheit in der Arbeitswelt - wissenschaftliche Standortbestimmung" vor und betonte, dass die Gestaltung der Arbeit unter dem Aspekt der psychischen Gesundheit zu den wichtigsten Herausforderungen für einen zeitgemäßen Arbeits- und Gesundheitsschutz gehört.
Nach einer Darstellung der drei Phasen des entsprechenden BAuA-Forschungsprojekts - Erstellung von Scoping Reviews, wissenschaftliche Expertengespräche, Dialog mit der Arbeitsschutz-Community - stellte sie die zentralen Befunde zu den Wirkungen der mehr als 20 untersuchten Arbeitsbedingungsfaktoren auf die psychische Gesundheit von Beschäftigten vor. Dabei betonte sie die Differenzierung der Faktoren in solche, die aufgrund ihrer Wirkung als Stressoren betrachtet werden können, und solche, die als Ressourcen wirken. Bei den Stressoren spielen Arbeitsintensität, Emotionsarbeit und atypische Arbeitszeiten eine zentrale Rolle. Als besonders relevante Ressource haben sich der Tätigkeitsspielraum und gute Führung herausgestellt.
In den abschließend präsentierten Empfehlungen wurde zum einen die Gestaltung einzelner Arbeitsbedingungsfaktoren, wie etwa der Arbeitszeit als einem Schlüsselfaktor für die Gesundheit und das Wohlbefinden der Beschäftigten, aber auch aufgabenbezogener Faktoren und solcher der Arbeitsumgebung und der Mensch-Technik-Interaktion, adressiert.
Zum anderen betonte Isabel Rothe die Notwendigkeit, die Perspektive auf psychische Gesundheit zu erweitern, indem nicht nur die Gefährdungen, sondern auch arbeitsbezogene Ressourcen, also positive Merkmale der Arbeit, in den Blick genommen werden. Als Voraussetzungen hierfür wurden die Weiterentwicklung der Systeme und Vorgehensweisen des Arbeitsschutzes, die Stärkung der Kompetenzen der Gestaltungsakteure sowie die Nutzung wichtiger betrieblicher Allianzen herausgestellt.
In der Podiumsdiskussion "Perspektiven von Wissenschaft und Praxis" wurden die Befunde der wissenschaftlichen Standortbestimmung mit den Erfahrungen und Anforderungen der betrieblichen Praxis verknüpft. Dabei wurden die besonderen Herausforderungen, die mit dem Thema psychische Gesundheit auf Unternehmensebene verbunden sind diskutiert und auf die zentrale Rolle der Führungskräfte hierbei hingewiesen. Zugleich wurde deutlich, dass im Hinblick auf förderliche Bedingungen für die erfolgreiche betriebliche Umsetzung von Maßnahmen weiterer Forschungsbedarf existiert.
In der abschließenden Podiumsdiskussion machten die Vertreter der Sozialpartner und des BMAS sowie Dr. Volker Kregel als Vorsitzender der Nationalen Arbeitsschutzkonferenz und Isabel Rothe nochmals deutlich, dass es in dem künftigen Dialogprozess darum gehen muss, konkrete Fortschritte zu erzielen. Die Empfehlungen der BAuA stellen dabei eine gute Ergänzung und Weiterentwicklung der Gemeinsamen Erklärung - Psychische Gesundheit in der Arbeitswelt von BMAS, BDA und DGB dar. Es käme nun darauf an, Rollen und Verantwortlichkeiten für den weiteren Prozess zu definieren und Maßnahmen zu konkretisieren.