Im Zuge der fortschreitenden europäischen Integration hat fast jeder Politikbereich auch europapolitische Aspekte. Umso wichtiger ist es, die europäische Politik zu gestalten und deutsche Interessen frühzeitig zu definieren und in Brüssel, vor allem im Rat der Europäischen Union, aber auch beim Europäischen Parlament und gegenüber der EU-Kommission wirksam zu vertreten. Für eine effektive Interessensvertretung müssen frühzeitig Positionen auf nationaler Ebene erarbeitet und mit allen Beteiligten abgestimmt sowie in die europäischen Verhandlungen eingebracht werden.
In Deutschland ist das Bundeswirtschaftsministerium (BMWK) gemeinsam mit dem Auswärtigen Amt (AA) für die EU-Koordinierung verantwortlich, damit die Bundesregierung gegenüber den verschiedenen EU-Institutionen mit einer Stimme spricht.
Im Koalitionsvertrag haben die Regierungsparteien eine aktive Europapolitik und einen konstruktiven Gestaltungsanspruch vereinbart, mit einer stringenteren Koordinierung, um sich eindeutig und frühzeitig zu Vorhaben der Europäischen Kommission zu positionieren.
Die europapolitische Koordinierung innerhalb der Bundesregierung erfolgt in Gremien auf verschiedenen Ebenen. Diese befassen sich speziell mit EU-Angelegenheiten und tragen dazu bei, möglichst schnell Entscheidungen herbeizuführen und etwaige Konflikte auszuräumen. Hierzu zählen vor allem der Staatssekretärsausschuss für Europafragen unter Vorsitz der Staatsministerin für Europa im Auswärtigen Amt (stellvertretender Vorsitz: BMWK) und die Runde der mit Europafragen befassten Abteilungsleiterinnen und Abteilungsleiter (gemeinsamer Vorsitz: AA und BMWK). Zusätzlich werden alle politischen Gremien (bis hin zum Bundeskabinett) mit europapolitischen Fragen befasst, sofern dies erforderlich ist. Außerdem hat jedes Bundesministerium eine Europabeauftragte bzw. einen Europabeauftragten als zentrale europapolitische Kontaktperson.
Eine weitere zentrale Koordinierungsaufgabe des BMWK ist es, die politischen Weisungen an die deutsche Botschafterin im Ausschuss der Ständigen Vertreter des Rates – Teil 1 (AStV 1) in Brüssel zu übermitteln. Dieser Ausschuss tagt mindestens einmal wöchentlich und besteht aus Vertreterinnen und Vertretern aller EU-Mitgliedstaaten. Er bereitet unter anderem die EU-Ministerräte für die Bereiche Wettbewerbsfähigkeit, Telekommunikation, Energie, Verkehr, Landwirtschaft, Umwelt, Arbeit und Soziales sowie Bildung, Jugend, Kultur und Sport vor. Auf der Basis von Sprechzetteln, die als Weisungen bezeichnet werden, verhandelt die Botschafterin als deutsche Vertreterin im Ausschuss in Brüssel. Das BMWK erteilt zudem die Weisungen für den AStV - Teil 2 in seinem Zuständigkeitsbereich.
Die sogenannte Weisungsgebung erfolgt in Arbeitsteilung mit dem Auswärtigen Amt. Dieses erteilt grundsätzlich die Weisungen für den AStV 2 (mit Ausnahme der Zuständigkeitsbereiche des BMWK und des BMF, in denen diese ihre Weisungen jeweils selbst erteilen), der den Allgemeinen Rat, den Rat für Außenbeziehungen, den Rat für Wirtschaft und Finanzen (ECOFIN) sowie den Rat für Justiz und Inneres vorbereitet. Die Weisungsentwürfe werden nach dem im Grundgesetz verankerten Ressortprinzip vom jeweils federführenden Ressort in der Bundesregierung abgestimmt.